Stellungnahme zum Angriff auf die Bäckerei in Plagwitz

Am 24.10. wurde die Scheibe des Ladens Bäckerei im Hausprojekt Casa in Leipzig Plagwitz eingeworfen. Als Wurfgeschosse dienten offenbar Gläser mit Schweinefett [1]. Dieser Umstand zusammen mit der Tatsache, dass viele Bewohner, des sich als Bi_PoC Projekt verstehenden Hauses aus dem Nahen Osten kommen, ließ zunächst auf einen neonazistischen oder zumindest rechts-rassistischen Hintergrund schließen. Das sowohl im Islam als auch im Judentum als unrein geltende Schweinefleisch wird immer wieder bei rassistischen Anschlägen sowohl auf Muslime [2] als auch auf Juden [3] verwendet.

Kurze Zeit später tauchte auf Indymedia jedoch ein Bekenner Post mit dem Titel „Bäckerei angegriffen – Keine sicheren Orte für Antisemiten“ [4] auf. Im Text wird die Aktion damit begründet, dass sich „[d]ie K-Gruppen Kommunistischer Aufbau (KA) (FKO, Internationale Jugend, Solinetzwerk) sowie Young Struggle (YS) und Zora“, die die Terrorangriffe auf Israelis gefeiert und verharmlost hätten, vor allem in der Bäckerei träfen.

Die gleichen Gruppen werden bereits in einem Beitrag vom 18.10.2023 [5] genannt, in dem eine Kritik an der Position, die diese Gruppen zum Angriff der Hamas und zum Nahost Konflikt einnehmen ausgeführt wird und für dessen Urheberschaft die Gruppe Fantifa aus Leipzig verantwortlich zeichnet. Im Artikel explizit genannt wird die Bäckerei als einer von zwei Orten, den diese Gruppen für den Großteil ihrer Veranstaltungen nutzen.

Als emanzipatorische Linke teilen wir die Kritik der Fantifa Gruppe an der eklatanten Verharmlosung der menschenverachtenden Natur des Hamas Massakers vom Oktober 2023 im Text der Gruppe Zora [6]. Der Ansicht, dass im nationalen Befreiungskampf der Palästinenser jedes Mittel oportun sei muss klar widersprochen werden was in der Erwiderung unserer Meinung nach gut gelungen ist.

Zu tiefst entsetzt sind wir hingegen von dem vulgären und unentschuldbaren Angriff auf ein Bi_Poc Wohnhaus. Ein Projekt, dass u.a. Gruppen einen Raum bietet sich zu treffen und Veranstaltungen durchzuführen, die kritisierbare Positionen einnehmen, selbst wenn das bis zur Relativierung des Hamas Verbrechens reicht, ist kein legitimes Ziel linker Militanz.

Wenn, wie hier die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung durch politische Gewalt ersetzt wird, muss scheinbar darauf hingewiesen werden: Leipzig ist nicht Israel/Palästina, selbst krude Anti-imperialist:Innen sind noch keine Nazischläger oder Hamasmörder und antideutsche Linke nicht Kommandos der IDF. Wer das nicht reflektieren kann macht aus einer politischen Debatte, die zwischen den Themen Antisemitismus, Rassismus, Migration und Postkolonialismus sensibel und couragiert geführt werden und auch unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungshintergründe aller hier lebenden Menschen einbeziehen muss, einen identitären Abenteurspielplatz und wirft am Ende im Namen der Bekämpfung des Antisemitismus – wir können so viel Stupidität und historische Inkompetenz von Linken im Land von Reichspogromnacht, der Anschläge von Mölln und Rostock Lichtenhagen immernoch nicht fassen: Schweinefett in die Fensterscheiben vermeintlicher Muslime.

Angesichts unserer Erfahrungen mit der Debatte haben wir wenig Hoffnungen auf eine Rückkehr zur Vernunft, würden uns aber doch ehrlich freuen wenn sich z.B. die Gruppe Fantifa, deren berechtigte Kritik durch diese Aktion für eine plumpe rassistische Attacke vereinnahmt wurde von dieser Verrohung der politischen Auseinandersetzung distanzieren würde.

Solidarität mit allen Opfern von Terror und Krieg!

Spontaner Zusammenschluss entsetzter antideutscher, antifaschistischer und antirassistischer Kommunisten:Innen aus Leipzig

[1] https://www.instagram.com/p/CyyjtdGs_gF/
[2] vgl. https://chronikle.org/ereignisse/rassistische-botschaft-vor-wohnungstuer
[3] z.B. https://www.belltower.news/hunderte-von-rechtsextremen-anschlaegen-auf-das-schalom-in-chemnitz-kein-einziger-taeter-gefasst-34440/
[4] der Post wurde kurze Zeit später wieder entfernt, der Volltext lautete:

„Die K-Gruppen Kommunistischer Aufbau (KA) (FKO, Internationale Jugend, Solinetzwerk) sowie Young Struggle (YS) und Zora führen ihre Veranstaltungen fast ausschließlich in der Bäckerei (Josefstraße 12, Leipzig) durch.

Alle genannten Organisationen haben die jüngsten Terrorangriffe auf Israelis (unter ihnen auch Araber:innen andere nationale Minderheiten und Tourist:innen), Jüdinnen und Juden im Nahen Osten gefeiert und verharmlost. Es geht ihnen nicht darum den jüdischen Staat zu kritisieren – sie wollen ihn vernichtet sehen.

Das Leid der Palästinenser:innen interessiert sie nur, insofern sie ihre Revolutionsfantasien darauf projizieren und ihren Antizionismus ungeniert ausleben können.

Um ihnen ihre antisemitische Hetze zu erschweren und als Warnung, haben wir die Bäckerei in der Nacht vom 23.10. auf den 24.10 angegriffen.

Antifa heißt Antisemit:innen angreifen!“

[5] https://knack.news/6996
[6] https://zora-online.org/2023/10/10/fur-den-kompromisslosen-widerstand-des-palastinensischen-volkes/