Lina E. als Widerständlerin? CDU fordert Eingreifen von Sachsens Landesbischof

Dresden. Eigentlich wollte die Frauenkonferenz der evangelischen Landeskirche Sachsen an den Wendeherbst erinnern – doch nun gibt heftige Vorwürfe: Am Beispiel der mutmaßlichen Linksextremistin Lina E. soll auch über die Kriminalisierung von Frauenwiderstand diskutiert werden. Für die CDU ist das ein Skandal.

Gegen die für Sonnabend geplante Frauenkonferenz der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen formiert sich Protest – es wird sogar die Absage von Programmpunkten gefordert. Der Grund ist eine Diskussionsrunde unter dem Titel „Autonomie, Autonome Projekte und Kriminalisierung von Frauenwiderstand“: Im Zentrum soll ausdrücklich der Fall Lina E. stehen. Gegen die mutmaßliche Linksextremistin aus Leipzig läuft derzeit vor dem Oberlandesgericht Dresden ein Prozess unter anderem wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

CDU-Innenpolitiker Anton spricht von Skandal

„Wer diesen Programmpunkt liest, kann sich nur angewidert fragen, ob das ernsthaft unter die Rubrik ‚Frauenarbeit‘ in der evangelischen Kirche fallen kann“, kritisiert der CDU-Innenpolitiker Rico Anton. Lina E. tauge nicht als Märtyrerin und auch nicht als „Advokatin für kirchliche Frauenarbeit“ – sie sei von der Bundesanwaltschaft aufgrund des Vorwurfs schwerster Straftaten angeklagt, das habe nichts mit Kriminalisierung zu tun.

Deshalb fordert die CDU, dass „unser Landesbischof“ Tobias Bilz eingreift, und die Veranstaltung nicht in der geplanten Form stattfindet. „Es wäre ein Skandal, wenn die evangelische Landeskirche solche Workshops im Rahmen einer Demokratiekonferenz duldet“, sagt Anton.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion stößt sich auch an weiterem Punkt: Für die Diskussion über Lina E. wurde die Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel als Expertin eingeladen. Anton hatte erst in der vergangenen Woche – mit Bezug auf die eskalierte „Wir sind alle Linx“-Demo in Leipzig vom 18. September – Nagels Rauswurf aus der Linksfraktion gefordert.

Evangelischer Frauenbeirat sieht Vorverurteilung im Fall Lina E.

Eine Absage wird es trotz des Einspruchs aus der nahe stehenden CDU nicht geben: Die Landeskirche verweist auf ihren Beirat für Frauenarbeit als Veranstalter – und dort wird die Frauenkonferenz verteidigt. „In dem Kriminalfall Lina E. gilt bis zum Urteilsspruch die Unschuldsvermutung für die Beschuldigte. Doch die mediale Vorverurteilung findet bereits statt“, erklärt Erik Panzig, der Leiter der Frauenarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen. In dem nun kritisierten Workshop „wollen wir einerseits der Frage nachgehen, ob und wie autonomer Widerstand kriminalisiert wird, und ob andererseits Widerstand von Frauen feministisch ist beziehungsweise feministisch sein muss“.

Linke-Abgeordnete Nagel „willkommene Gesprächspartnerin“

Die Frauenkonferenz, zu der Staatssekretärin Gesine Märtens ein Grußwort von Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) übermitteln wird, sei insgesamt in Anlehnung an den ersten deutsch-deutschen Frauenkongress 1990 in Berlin konzipiert worden, macht Panzig klar. Auch damals sei es beispielsweise um Themen wie häusliche Gewalt, den Paragrafen 218 – und eben auch um „Autonomie und Kriminalisierung von Frauenwiderstand“ gegangen. Die Aktualität sei 31 Jahre später „nicht von der Hand zu weisen“, meint Panzig, der auch Pfarrer der Landeskirche ist. Zudem erfolge die Auseinandersetzung „im kritisch-reflektierenden Dialog“: In diesem Sinn sei die als Politikwissenschaftlerin eingeladene Juliane Nagel „eine willkommene Gesprächspartnerin“.

Von Andreas Debski

 

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