Drogen und Gewalt in Colditz: Was über die Machenschaften der Familie N. bekannt ist
Leipzig. 225 Beamte rückten im März 2023 in Colditz ein, durchsuchten Wohnhäuser, Lagerhallen, einen ehemaligen Holzhandel und fanden: Crystal Meth im Wert von einer halben Million Euro, eine Cannabis-Plantage, mehrere Waffen und teure Autos. Ralf N. und seine beiden Söhne Uwe und Andreas sitzen in Untersuchungshaft. Der Fall beschäftigt jedoch nicht nur Polizei und Zoll – sondern auch die Landespolitik. Die LVZ fasst zusammen, was bisher bekannt ist.
1. Wer sind die Tatverdächtigen?
Der 66-jährige Ralf N. und seine Söhne kennen alle in Colditz. Regelmäßig waren sie mit Nobelkarossen, darunter ein Lamborghini, in der Stadt unterwegs – und dabei ging es nicht nur um Protzerei, sondern um eine Machtdemonstration. In Colditz hatte sich nach der Jahrtausendwende eine militante Neonazi-Szene gründet, die brutal gegen jeden vorging, der aufmuckte. Mittendrin Ralf, Uwe und Andreas N.. Der Holzhandel der Familie N. wurde zu einem Treffpunkt.
Ralf N. soll sich in der Stadt jahrelang wie ein Tyrann aufgeführt, seine Nachbarn gemobbt, Punks verprügelt haben. Er griff sogar den früheren Bürgermeister und Polizeibeamte an. All das lässt sich aus Gerichtsakten und Gesprächen rekonstruieren. Dass die Familie N. mit Drogen handelt, galt lange als Gerücht, das spätestens 2014 zur Gewissheit wurde. Polizisten erwischten Uwe N. mit 1,8 Kilogramm Crystal Meth.
2. Wann wird es einen Prozess geben?
Ralf, Uwe und Andreas N. wird bewaffneter Drogenhandel vorgeworfen. Sie sollen Crystal Meth und Marihuana nach Deutschland geschmuggelt und verkauft haben. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat mittlerweile Anklage erhoben – erst wenn das Landgericht die Anklage zulässt, werden Prozesstermine bekannt. Ob das noch in diesem Jahr der Fall sein wird, ist bisher unklar.
3. Warum beschäftigt sich die Landespolitik mit dem Fall?
Innenpolitiker und Experten sind überzeugt, dass man es in Colditz mit einer verfestigten Struktur von rechtsextremer Kriminalität zu tun hat. Ähnliche Verbindungen gab es auch schon anderswo, etwa in Thüringen. Dort endete gerade der Prozess gegen die „Turonen“ mit hohen Haftstrafen. In Colditz stellt sich die Frage, warum die Männer der Familie N. nicht schon früher aus dem Verkehr gezogen werden konnten – 424 Anzeigen lagen bis zu ihrer Verhaftung vor, darunter sind Verstöße wegen des Fahrens ohne Führerschein – aber auch ein Fall schwerer Körperverletzung für den es nur eine Bewährungsstrafe gab. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern Bedrohungen und Einschüchterungsversuche gegenüber Polizei und Stadtverwaltung erfolgreich waren. All das war und ist Thema im Innenausschuss des sächsischen Landtags.
4. Wie bewerten die Sicherheitsbehörden den Fall?
Das Innenministerium äußert sich zurückhaltend. Man möchte einer Entscheidung des Gerichts nicht vorgreifen. Die LVZ hat Innenminister Armin Schuster (CDU) explizit gefragt, welches Signal er an jene Colditzer senden möchte, die sich jahrelang vom Staat alleingelassen gefühlt haben. In seiner Antwort weicht er aus, verweist auf die Zahl der Anzeigen und die damit verbundene Ermittlungsarbeit der Polizei. Den Beamten ein „Wegsehen und Untätigkeit zu unterstellen, halte ich nicht für gerechtfertigt“, so Schuster. Leipzigs Polizeipräsident René Demmler spricht dagegen offen über ein „offensichtlich beschädigtes Vertrauen der regionalen Bevölkerung in verantwortliche Institutionen“. Dieses wiederherzustellen, sei für ihn und die Beamten vor Ort „Chefsache“.
5. Wie ist jetzt die Lage in Colditz?
Ralf N. und seine Söhne sind aus dem Stadtbild verschwunden, dennoch trauen sich Betroffene der Gewalt nicht offen über ihre Erfahrungen zu sprechen, auch weil die Unterstützer der Familie N. noch in der Stadt wohnen.
Der parteilose Bürgermeister Robert Zillmann verweist auf viele positive Entwicklungen in der Stadt, etwa im Bereich der Kinder – und Jugendbeteiligung. Seit diesem Jahr gibt es das „Go-Team“, ein Projekt bei dem Kinder- und Jugendliche Müll sammeln, sich aber auch mit der NS-Vergangenheit der Stadt auseinandersetzen. Doch am 18. Mai gab es einen Angriff auf Engagierte und Betreuer, der in seiner Brutalität an die Vergangenheit erinnert.