Reaktion auf „Fe-mi-nis-mus …mehr als Akronyme bilden!“
Reaktion auf „Fe-mi-nis-mus …mehr als Akronyme bilden!“
Erstmal danke den Verfasser:innen von „Fe-mi-nis-mus …mehr als Akronyme bilden!“ für euren Text! Das Unbehagen mit politischer Streit(un)kultur in der feministischen Szene plagt auch uns. Die Ereignisse am 8. März diesen Jahres etwa haben uns ganz schön getroffen, denn man konnte wählen zwischen der transfeindlichen Veranstaltung auf dem Augustusplatz, einem noch freundlich umschrieben völlig apolitischen feministischen Streikbündnis und der Veranstaltung der mindestens mal rot-gruppen affinen Revolutionären Frauen. Von einer feministischen Bewegung, deren Anliegen und Ziele wir mittragen wollen, scheint uns nichts mehr übrig zu sein. Wir waren selbst schon drauf und dran etwas zu schreiben und haben uns sehr gefreut, dass ihr uns zuvorgekommen seid.
Ganz im Sinne des Textes wollen wir solidarisch Kritik an diesem üben, oder vielmehr einiges nochmal präzisieren, umstrukturieren, einen anderen Fokus setzen, in der Hoffnung darauf, dass sich weitere Möglichkeiten zur Auseinandersetzung ergeben. Wir haben auch die erste Antwort auf den Text wahrgenommen, auf die angemessen zu reagieren unsere Kapazitäten gerade übersteigt. Wenn wir hier fertig sind, sollte aber auch der Transfer machbar sein, was wir an Kritik so grob teilen und was nicht. So oder so: wir haben uns auch gefreut, dass es bereits eine Reaktion gab und hoffen auf mehr feministischen Streit!
Zunächst zur auffälligen Lücke des SWERF Begriffs: erfahrungsgemäß ist dort, wo der TERF-Vorwurf geäußert wird, auch der SWERF-Vorwurf nicht weit. Dass die Antwort diesen Begriff aufgegriffen hat, fanden wir ziemlich mutig. Wir selbst finden es falsch, in Bezug auf das institutionalisierte sexuelle Ausbeutungs- und Gewaltverhältnis Prostitution von „sexwork“ zu sprechen, möchten dies aber hier nicht ausführen – weil wir begründet fürchten, dafür Anfeindungen zu erfahren und alles was wir sonst sagen ignoriert wird.
Gehen wir endlich ans Eingemachte. Wir wollen einmal in aller Deutlichkeit aussprechen, was in beiden Texten implizit mitgeführt wurde: TERF und Transfeind:in werden in der Regel synonym gebraucht und das ist ein Problem. Was schon anklang: Dieses Problem besteht sowohl darin, dass Leute, die mit Feminismus in etwa so viel am Hut haben wie Horst Seehofer mit gelebtem Antifaschismus, als Feminist:innen bezeichnet werden und Feminist:innen in einen Topf mit Faschos geworfen werden, wo sie ebenfalls so viel zu suchen haben, wie ein Eisbär auf Madagaskar.
Wir glauben, es wäre wichtig gewesen, einmal explizit auszusprechen, dass TERF und Transfeind:in in der Regel in Eins gesetzt werden. Unser Eindruck war, dass dann zu Transfeindlichkeit im ersten Text recht wenig gesagt wird. Was uns fehlte: es ist ja tatsächlich so, dass Transfeindlichkeit eine Querfront zwischen Nazis, Fundis, Konservative und Feminist:innen bildet. An einer Stelle spricht „fantifa & friends“ das sogar an („Über ihre reaktionären Bemühungen, die rechtliche Emanzipation von Trans-Personen zu verhindern, verlieren einige jegliche Berührungsangst mit christlich-fundamentalistischen und offen rechten Gruppierungen.“), aber da hört es sich an, als wären da ein paar Feminist:innen whoopsie daisy einfach bisschen übers Ziel hinausgeschossen. Das scheint uns eine verharmlosende Darstellung zu sein. Wenn Leute sich gerne mit Fundis etc. zusammentun möchten, dann ist ihnen ihre Transfeindlichkeit offensichtlich wichtiger als alle anderen Anliegen, für die sie in feministischen Kämpfen eintreten könnten. Und das sollte man dann auch ernst nehmen. Sie sind Transfeind:innen.
Das bringt uns zum nächsten Punkt, den wir nicht überzeugend finden. Warum sollen wir Person und Argument trennen? Wenn Leute öffentlich und mit politischen Zielen rassistisch argumentieren, nennen wir sie Rassist:innen. Wenn Leute auf diese Weise antisemitisch argumentieren, nennen wir sie Antisemit:innen. Genauso wenn Leute antifeministisch argumentieren. Dann nennen wir sie Antifeminist:innen. Wir nehmen Sie dafür als ganze Person in Verantwortung. Warum hier die Ausnahme machen? In Kombination mit der Unterbehandlung des Phänomens der Transfeindlichkeit im Text ist bei uns der Eindruck entstanden, dass es hier vielleicht mehr um die Verletzung der Autor:innen ging, die durch den TERF Vorwurf hervorgerufen wurde, als um eine Auseinandersetzung mit Transfeindlichkeit.
Die Bestimmung von Transfeindlichkeit ist ebenfalls nicht gut geglückt. Wir machen erstmal folgenden Vorschlag zur begrifflichen Trennung von Transfeindlichkeit und Transexklusivität:
Transfeindlich sind alle Handlungen, Haltungen, Aussagen etc., bei denen aktiv gegen das Interesse von Transpersonen agitiert wird.
Transexklusiv sind alle Handlungen, Haltungen, Aussagen etc., die Transpersonen nicht miteinschließen.
Beides kann zusammen auftreten, muss aber nicht. Diese sehr schematische und grobe Unterscheidung dient als Stütze, um zu verstehen, dass transfeindliche Argumentationen durchaus transinklusiv sein können und bringt uns vermittelt zu einer weiteren Kritik am ersten Text: Weder ist es richtig, biologistischen Argumentationen eine besondere Rolle für den Radikalfeminismus zuzuschreiben, noch, und das ist hier wichtiger, sollte die Bedeutung des Biologismus für transfeindliche Argumentationen überschätzt werden. Bare with us, please!
Alice Schwarzer, Ikone des Radikalfeminismus in Deutschland, argumentiert in der Emma, sie vertrete keine transexklusive Haltung, denn bereits in den 80ern habe sie sich im Streit mit einer Schwester im feministischen Kampf für die Inklusion von Transfrauen in den feministischen Kampf ausgesprochen. Eine Transfrau habe eine Partnerinnenwerbungsgesuch in der Emma aufgeben wollen, Schwarzers Schwester hatte sich dagegen ausgesprochen. Alice Schwarzer schrieb ihr einen Brief und kritisierte ihre Haltung. Das hält aber die heutige Alice Schwarzer keineswegs davon ab, sich gegen das Selbstbestimmungsgesetz auszusprechen und zu unterstellen, dieses lüde Menschen zum leichtfertigen Geschlechtswechsel ein, als seien Transpersonen nicht im Stande, informierte, wohldurchdachte Entscheidungen zu treffen. Sie agitiert darin gegen die Interessen von Transpersonen. Und sie kommt darin ganz ohne Biologismus aus, denn ihre Argumentation beruht gerade nicht darauf, zu behaupten, es gäbe nur zwei biologische Geschlechter und damit basta. Auch wenn wir an Fundis denken, liegt der Fokus der transfeindlichen Argumentation eher auf der Wahrung der gottgegebenen Ordnung, denn auf dem Biologismus. Was nicht heißt, dass nicht auch zahlreiche Transfeind:innen biologistisch argumentieren, aber die biologistische Argumentation ist zumindest bei weitem nicht die einzige Möglichkeit transfeindlich zu argumentieren. (Und wir würden behaupten, sie ist auch für Autorinnen, die üblicherweise dem Radikalfeminismus zugeordnet werden, wie Schwarzer, Firestone oder de Beauvoir nicht von besonderer Bedeutung.)
Das etwas heißere Eisen ist: Wir gehen davon aus, dass es Transexklusion ohne Transfeindlichkeit geben kann. So wie eine Veranstaltung an einem nicht-barrierefreien Ort nicht als feindlich gegenüber Menschen mit Behinderung gelabelt wird, so ist es auch denkbar, dass eine Veranstaltung, die sich primär um die Anliegen von cis Frauen bemüht, das nicht aus Feindschaft gegenüber Transpersonen tut.
Und dieses heiße Eisen ist vielleicht deshalb so heiß, weil über den TERF Begriff sprechen zwar schön und gut und auch nicht unwichtig ist, aber es vielleicht primär um etwas anderes geht. Eigentlich wäre es mal höchste Zeit über die politischen Enttäuschungen der letzten Jahre, vielleicht gar Jahrzehnte, in einem Raum zu sprechen, in dem wir einander vertrauen und verletzlich sein können und wollen. Für uns als cis Frauen, die wir diesen Text verfassen, bestehen diese Verletzungen in der Erfahrung, auf Bündnistreffen immer wieder die Beschäftigung mit eigenen Anliegen erst dann zugestanden zu bekommen, wenn wir uns zuerst mit den Anliegen aller anderen beschäftigt haben. In dieser teils aggressiven Einforderung von Care hat sich ein misogynes Motiv wiederholt, das wir außerhalb der feministischer Szene nur zu gut kennen, das so viel Überforderung und Müdigkeit erzeugt und politisch eine große Enttäuschung dargestellt hat. Eine Schwierigkeit in der Auseinandersetzung mit dem „TERF-Konflikt“ besteht auch in der Angst davor, durch alle diejenigen, die mit dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht brechen oder gebrochen haben, mit der Frage nach der Mitschuld am eigenen Zur-Frau-gemacht-worden-sein konfrontiert zu sein. Das sind Themen mit denen sich auseinanderzusetzen schmerzt. Sie treffen in Mark und Bein.
Umgekehrt können wir uns vorstellen, dass für alle Transpersonen (Transmänner, -frauen und nichtbinäre Personen) die politische Erfahrung erschütternd war und ist, in einer stark von cis(hetero)Frauen dominierten Szene in feministische Räume zu kommen und sich und die eigene Identität ständig erklären zu müssen oder selbst dort angefeindet zu werden – der 8. März diesen Jahres, die Veranstaltung am Augustusplatz muss ein Schlag ins Gesicht gewesen sein.
Wir würden uns wünschen, dass die feministische Szene diese Enttäuschungen aufarbeiten könnte, dass wir gemeinsam in einen Trauerprozess gehen könnten. Wir fragen uns, was es dafür braucht. Mindestens bräuchte es einen sicheren Raum, in dem es möglich wäre, sich mit der eigenen Identität und geschlechtlichen Zurichtung auseinanderzusetzen, ohne dafür verurteilt zu werden und ohne dass das Gesagte gegen uns verwendet wird.