Eine Streitschrift? Eine Antwort auf „Fe-mi-nis-mus …mehr als Akronyme bilden!“

Zunächst einmal danke für euren Text. Ich schreibe euch nicht aus Leipzig, jedoch halte ich die Diskussion auch für anderswo relevant. Wenn ich Sachen erkläre, die ihr schon wisst, dann nehmt es mir nicht übel. Ich nehme auch Bezug auf Antideutsche, und hoffe, dass ich euch an dem Punkt nicht verliere. Aber ich vertraue mal darauf, dass wir wirklich miteinander diskutieren wollen. Ich verlinke ganz viele Quellen damit ihr und alle die diesen Text lesen nachlesen/ hören könnt was ich sage, nicht weil ich meine, ihr kennt die Inhalte nicht, sondern weil die Analyse nicht von mir kommt.

1. Wie gehen miteinander um – Ausschluss als Mittel?

Ihr kritisiert das zunehmen Ausschluss als Mittel des Umgang wird. Ich teile eure Kritik, möchte sie aber etwas ausführen. Es braucht in einer Bewegung eine Streitkultur, es braucht die Möglichkeit sich zu kritisieren, es müssen Widersprüche ausgehalten und unterschiedliche Standpunkte toleriert werden und es braucht auch immer einen Raum zum lernen, Fehlerfreundlichkeit und Angstfreiheit.

Ihr kritisiert Mittel wie Ausschluss, Sprachverbote und bringt es in Verbindung mit einem Abschotten & sich wohlfühlen. Ich sehe Safe/rSpaces und autonome Organisierung als Werkzeuge einer Bewegung. Es macht Sinn, warum wir in unsere politischen Praxis gelegentlich Betroffenheit, Angst und Schutzbedürftigkeit in den Fokus nehmen oder nach Heilung suchen und dafür bestimmte Menschen oder Verhaltensweisen von uns fern halten. Allerdings sollten auch Methoden einer Kritik unterzogen werden und es sollte klar sein, dass Ausschluss immer nur ein letztes Mittel sein kann. Auch sind andere „feministische Methoden“ nicht für alles geeignet. Es ist auch wichtig sich stark zu fühlen, Wütend zu sein und objektiv auch stark zu sein in dem wir Kämpfe führen. Diese Dynamiken eines „Wohlfühlfeminismus“ sollten hinterfragt werden. Auch der liberale Feminismus/ Anti-Rassismus spielen darin sicherlich eine Rolle.

Aber – auch wenn ich denke, dass Queerfeminist*innen sich kritisch damit auseinander setzen sollten – so sind diese Dynamiken keineswegs auf die Queer/feminist*innen beschränkt. Ausschluss Trolling, Diffamierungen, Vorwürfe entkoppelt von Erklärungen, Arroganz und Überheblichkeit, Silencing, was weiß ich nicht alles – es gibt diese Verhaltensweisen auch durch andere. Ich nehme aber häufig vor allem an queerfeministischen Kreisen eine Kritik war.

Ich würde eure Kritik also weiterführen und hier die Frage stelle – wie wollen wir eigentlich miteinander umgehen? Ich halte es nicht für sinnvoll hier einzelne Ereignisse oder Vorfälle herauszunehmen. Es braucht eine kollektive, Szene/ Bewegungsübergreifende Außeinandersetzung von all diesen Dynamiken anstatt sind einzelnen zuzuschreiben. Hierbei ist linke Kritik an Wokeism und Identitätspolitik wichtig, denn sie schreibt häufig der Sprecherpositionen einer Identität eine moralisch überhöhte Position zu. Auch die linke Kritik an „CancelCulture“ ist wertvoll, eine Methode die nichts anderes als Ausschluss bedeutet und historisch vor allem gegen Linke und nicht von Linken verwendet wurde.

Quellen:

  • Podcast 99 zu 1 „Politik & Identität“ – https://99zueins.fireside.fm/190
  • Kritik am Wokism auf carefree wonderings – www.youtube.com/watch?v=GnUqrF9mAA8
  • Podcast 99 zu 1 Kritik an CancelCulture – https://99zueins.fireside.fm/39
  • Vor allem in der anarcha-feminsitischen Bibliothek gibt es nochmal eine Reihe an, vor allem aber englisch-sprachigen Texten die diverse Dinge kritisieren wie SaferSpaces, Awareness als Professionalisierung –> https://anarchalibrary.blogspot.com/2013/08/the-problem-with-privilege-2013.html

2. Was ist faschistisch, rechts, transfeindlich?

Ihr schreibt „Faschistische Bewegungen und Herrschaft sind komplexe Phänomene und können nicht auf das Beharren einer biologischen Zweigeschlechtlichkeit reduziert werden, wie es beispielsweise von Gegner_innen des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes ins Feld geführt wird“.

Der Faschismus kommt nicht ohne das Patriarchat aus. Und das Patriarchat nicht ohne die Geschlechterbinarität. Damit meine ich die sozial konstruierten Geschlechterrollen/ auch Gender genannt, die in einer Binarität zu einander stehen (männlich-weiblich, stark-schwach, rational-emotional, denken-fühlen, machen-reden…). Diese Binarität findet sich übrigens auch in anderen „Unterdückunsgdiskursen“ aus dieser Zeit wieder, wie z.B. in der Rassenideologie/ Antisemitismus (zivilisiert-barbarisch, Mensch-Tier, …) oder dem Sozialchauvinismus (Leistung / Faul, …). Also das eine wird in Bezug auf das andere definiert. Aus dieser Geschlechterbinarität lässt sich demnach auch ideologisch eine Feindlichkeit gegenüber allem, was dem nicht entspricht, erklären. So wurden auch Homosexuelle und Transpersonen im Faschismus verfolgt.

Kapitalismus, Kolonialismus, Patriarchat gab es schon vor dem Faschismus und beide bestehen bis heute. Auch wenn der Faschismus auf ihnen aufbaute, heißt das natürlich anders herum nicht, dass Sozialchauvinismus, Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit gleich auch faschistisch sind.

Aber was ist denn nun Faschismus? Ich bin keine Faschismusexpertin. Außerdem gibt es anders als z.b. im Kommunismus, in dem Sinne keine klare faschistische oder rechtsextreme Theorie. Es ist nunmehr eine Bewegung, die sich auch sehr dynamisch ändert inklusive ihren theoretischen Anästzen. Grob würde ich sagen, dass es einen kontinuierlichen Übergang zwischen Faschismus, Rechtsextremismus, Rechtspopulistisch, rechts und Mitte der Gesellschaft gibt. Faschismus ist ein geschlossenes Weltbild wozu z.B. auch Nationalismus/ Volksgedanken, Totalitarismus/Autoritarismus, aber vielleicht auch Anti-Kommunismus und eine Ablehnung der Elite gehören. Rechtsextrem ist ein geschlossenes Weltbild, was aber nicht unbedingt diesen Totalitarismus-Anspruch hat oder so stark Anti-Kommunistisch sein muss. Das rechtfertigen von Gewalt und ihre Ausübung wird oft als Trennung zwischen rechtsextrem und rechts/populistisch gesehen. Wie es in dem Video unten erklärt wird (BpB), reichen die „ideologischen Versatzstücke“ bis in die Mitte der Gesellschaft. Ob ein Akt nun etwa als rechtsextrem, rechtspopulistisch oder einfach nur transfeindlich klassifiziert wird hängt eher von dem sonstigen Denkmuster der ausübenden Person ab. In den USA gibt es ja z.B. den Begriff Hasskriminalität an der Stelle, wo Gewalt nicht als faschistisch /rechtsextrem /rechts klassifiziert ist. Wenn wir z.B. sagen, ich misgendere eine Person, ich nutze meinen wissenschaftlichen Status und behaupte es gibt kein Transmenschen oder aber ich zwangsterilisiere Transmenschen (wie es der deutsche Staat bis 2011 getan hat) – ist das dann alles einfach transfeindlich?

Das die Gegner*innen des Selbstbestimmungsgesetztes hier den Vergleich zum Faschismus ziehen scheint mir als ein Ergebnis der Schwäche der feministischen Bewegung. So schaffen wir es offensichtlich bis heute nicht, bestimmte Schlagworte die schwer wiegen, in den öffentlichen Diskurs zu bringen und müssen uns so diesem Vergleich bedienen. Das macht es natürlich nicht richtig und ich stimme eurer Kritik an sich zu, dass dieser Vergleich hinkt. In seinem Kern, gibt es aber sicherlich Kontinuitäten zwischen Faschismus und Transfeindlichkeit, Rassismus oder Sozialchauvinismus.

Quellen:

  • Simone de Beauvoir’s „Das andere Geschlecht“ ist ein Klassiker, der aufzeigt, dass wir unterscheiden müssen zwischem biologischem geschlchte und der sozialen Geschlchterrolle (Gernder).
  • Geschlecht in der reihe theorie.org ist gute Einführungslektüre zu dem Thema!
  • BPB zu Rechtsextremismus – www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/236157/was-ist-rechtsextremismus/
  • zu binären Diskursen schreibt z.B. auch Edward Said in Orientalismus
  • Klaus Theweleit arbeitet zu Männlichkeit und Faschismus und schaut sich damit also mindestens die rolle des Mannes im Faschismus genauer an

3. Ist Vollbrecht transfeindlich?

Auch wenn es mir an einem klaren Verständnis von Faschismus fehlt, so kann ich doch mit Sicherheit sagen, dass Transfeindlichkeit nicht links ist. Nun hat sich eine transfeindliche Person (Vollbrecht) ins Conne Island selber eingeladen. Hier will ich nochmal betonen – eine Kritik an Identitätspolitik gibt es von links und diese ist notwendig. Kritik an Identitätspolitik ist aber nicht zu verwechseln mit der Negation der von Transmenschen/ ihrer Identität (wie es vllt ein paar rechte Antideustche machen, aber dazu später!).

Vollbrecht setzt sich nicht einfach für Frauen ein, Vollbrecht ist keine TERF, Vollbrecht hat eine klar Agenda – Transmenschen ihre Existenz abzusprechen. Sie benutzt hier unter anderem den Terminus „Trans-ideologie“. Hier mal ein Zitat aus diesem Text den sie in der Welt geschrieben hat:

Wir meinen, dass hier erstmals im ÖRR umfassend die wissenschaftliche Erkenntnis der Zweigeschlechtlichkeit geleugnet und durch eine undefinierte und unbelegte Idee eines Geschlechterspektrums ersetzt wurde. Zudem wird hier der Irrglaube, man könne im falschen Körper geboren werden (weil man etwa trotz männlichen Körpers angeblich ein „weibliches Gehirn“ oder eine weibliche Geschlechtsidentität“ habe) als wissenschaftlicher Fakt präsentiert“.

Dann hat sie ja auch noch diesen Tweet abgesetzt,wo sie schreibt dass Transpersonen nicht die „wahren Opfer der NS-Verbrechen“ sind. Diese Aussage ist also keine „transfeindlicher Antifaschismus“ sondern ganz klar Transfeindlichkeit, die hier legitimiert wird, in dem sie auf andere Opfer der NS-Verbrechen Bezug nimmt.

Um nochmal auf euren Punkt von Ausschluss einzugehen – das Dossier was von Vollbrecht mit veröffentlicht wurde ist nichts anderes als CancelCulture. Es ist der klare Versuch die Existenz von Transmenschen zu negieren mit Bezug auf Wissenschaft, und dieses auch in den Medien durchzusetzen. Kritisiert wird darüber hinaus das sprechen und zeigen von Sex, nackten Körpern. Das thematisieren von queeren Familien ist ein Angriff auf die Familie etc. Ich denke, man kann so weit gehen uns sagen, dass Vollbrecht zumindest konservativ ist, weil sie nicht einfach „transfeindlich“ ist, sondern deren Existenz negiert & suggeriert, dass reden über Transmenschen ist eine Gefahr für Schamgefühl, Familie, etc. An dieser Stelle ist Sprache natürlich gewaltvoll und das negieren von Existenzen eine wichtige ideologische Grundlage für Rechstextremismus/ Faschismus.

Ist deswegen das Conne Island nun transfeindlich? Sich nicht zu positionieren zu Vollbrecht heißt zumindestens zu ihrer Transfeindlichkeit zu schweigen und sie in den eigenen Räumen zu akzeptieren. Und das ist nicht links! Und dazu hätte der Laden auch was sagen können.Und wie kommen wir nun dahin, dass auch ein AZ einsieht, dass Transfeindlichkeit nicht in Ordnung ist?

Quellen:

  • https://www.spiegel.de/panorama/bildung/marie-luise-vollbrecht-verliert-streit-um-meinungsaeusserung-a-fabb1812-5a5c-4b52-8982-590f5b0e6f2f
  • https://www.evaengelken.de/dossier-ideologie-statt-biologie-im-oerr/
  • Understanding Gender Identity – https://www.youtube.com/watch?v=Rqv9UUqYS4s

4. Ist das Conne Island rechts?

Nun begebe ich mir hier auf ein Terrain, auf dem ich mich nicht gut auskenne. Ich bin keine Leipzigerin, die „Skandale“ aus dem Conne Island kenne ich nur aus der Ferne. Ich nehme Bezug auf eure Aussagen und den Redebeitrag von linksjugend solid und mache es mir hier sehr einfach – hört euch doch einfach diese zwei tollen Podcasts von 99 zu 1 zu Anti-Deutschen an. Dort wird auch aufs Conne Island Bezug genommen, es wird erklärt was an den Anti-Deutschen rechts/konservativ ist.

Linksjugend solid nimmt Bezug darauf, das Thomas Maul dort eingeladen wurde. Als Bahamas-Redakteur bekannt hat Maul auf jeden Fall bereits islamophobe Dinge von sich gegeben (seht euch seinen Blog an). Kurzum – das Conne Island hat zumindest schon mehrmals rechte Anti-deutsche eingeladen. Ist es deswegen rechts? Na zumindest macht es sich mit Rechten gemein.

Dabei würde ich hier auch eure Argumentationslinie an dieser Stelle kritisieren. Ihr benennt die autoritären Gebaren von Queerfeminist*innen. Ein Aussage wird nicht falsch nur weil sie in einer Form vermittelt wurde, die vielleicht sogar zu kritisieren ist (autoritäres Gebare). An anderer Stelle stärkt ihr eurer Argument damit, dass ihr sagt, die „Fascho-Vergleiche“ sind sogar gefährlich, denn Faschos kriegen auf die Fresse. Auch Vollbrechts Aussagen sind gefährlich, denn Gewalt gegen Transmenschen ist mitunter tödlich und ein strukturelles Phänomen, keine Randerscheinung wie der militante Antifaschismus. Der Hinweis, etwas zu sagen wäre gefährlich ist letztendlich ein moralischer Trick, um das gesagt zu unterbinden. Wir müssen schon, wie ihr es ansonsten ja auch tut in eurem Text, fragen, ob die Aussagen inhaltlich stimmen. Und bei aller Kritik an dem Verhalten der Queerfeminist*innen, steht es dem Conne Island weiterhin zu, seine Positionen zu überdenken oder zumindest den Inhalt der Kritik wahrzunehmen.

Quellen:

  • 99 zu1, Folge 33, „Die andere Querfront“ – https://99zueins.fireside.fm/33
  • Thomas Maul’s Texte – www.thomasmaul.de/p/kritisches.html
  • 99 zu 1, Folge 22, „Die Geschichte der Antideutschen“ ab Min. 49 geht es um die aktuellen Antideutschen

5. Abolitionismus, aber transinklusiv?

Mit der Dominanz des liberalen Feminismus sind uns in Deutschland leider auch ein paar Analysen verloren gegangen, die nicht nur eine individuelle Verbesserung sondern eine strukturelle Veränderung des Systems postulieren. In den letzten Jahren ist dafür zunehmen eine materialistischer Feminismus wieder populär geworden, der nicht einfach nur gegen Diskriminierung und für Inklusion kämpft sondern auch Ausbeutungsverhältnisse mitdenkt und erklärt, wie diese eine zentrale Grundlage für patriarchale und rassistische Gewalt sind – der Kapitalismus. Bezogen auf die Prostitution lässt sich daher sagen, dass sie sich zwar nicht ohne Patriarchat erklären lässt, jedoch auch nicht ohne Klasse. Denn der ökonomische Zwang ist in allen Fällen Motivation für Prostitution (wie generell für Lohnarbeit). In den Quellen habe ich euch drei Podcasts angehängt – zu materialistischem Feminismus, ein Gespräch mit einer ehemaligen Prostituierten aus Deutschland und ein Gespräch mit zwei Aktivist*innen aus den USA. Zusätzlich verweise ich hier nochmal auf den Text von der Gruppe Frauenkampftag Magdeburg, die erklären, warum sie Prostitution abschaffen wollen. Also ich würde auch sagen, Prostitution abschaffen – wobei das komplette Abschaffen wharscheinlich erst nach der anti-kapitalistischen Revolution statt finden wird. Aber es wurden bisher ja auch andere Ausbeutungsverhältnisse abgeschafft oder zumindest verhindert innerhalb des Kapitalismus.

Ich möchte dies jedoch ergänzen um eine Kritik an trans-exklusive Position. So könnte eins natürlich aus rein strategischer Sicht fragen, warum, wenn ich gegen Prostitution bin, dies nicht für alle will sondern nur für cis-Frauen? Eins braucht keine radikale oder materialistische Analyse um die Haltung zu haben, dass wir eine Befreiung aller wollen und nicht nur eine Befreiung von cis-Frauen. Transfrauen leben überdurchschnittlich oft von Prostitution, weil sie durch ihre Kriminalisierung, Pathologisierung, Stigmatisierung und Deklassierung oft keine anderen ökonomischen Möglichkeiten haben als Prostitution. Nicht nur in den USA sondern auch in Deutschland waren Transmenschen früher extrem deklassiert, was z.B. auch Gründe waren für Orte wie das besetzte Tuntenhaus in Berlin – denn unter ihnen grassierte die Wohnungsnot. Wenn wir das Patriarchat aber in seiner Gänze verstehen wollen, dann hängt Transfeindlichkeit inhärent mit der Frauenrolle zusammen. Die Frauenrolle in ihrem sozialen Sinne hat eine ökonomische Funktion – nämlich die Ausbeutung von Frauen. Das aufweichen dieser Rolle stand also in Zusammenhang mit der Gefahr, auch Ausbeutung zu verhindern. All die Gewalt gegen FrauenLesben und eben auch dissident gender diente der Herstellung dieser Rolle/n, die für den Kapitalismus notwendig war um die reproduktive Arbeit zu übernehmen. Hier ist folgendes Video der „social reproduction Theory“ von Tithi Bhattacharya befassen, die in diesem Video kurz erklärt, wie Ausbeutung über Reproduktive Arbeit statt findet und wozu sie dem Kapitalismus dient [https://www.tithibhattacharya.net/social-reproduction-theory]. Silvia Federici erklärt z.B. dass in Europa die Hexenverfolgung mit der Entstehung des Kapitalismus und dem Schaffen der Frauenrolle zusammenhängt. So wurde die Abweichung von der Rolle – sei es durch eine Frau die nicht heiraten wollte, sei es durch Homosexualität oder eben Transgender – lange Zeit sanktioniert und verfolgt.

Nun haben wir nach 70 Jahren Identitätspolitik zum Teil eine etwas andere Situation, denn der Kapitalismus hat es geschafft, den Kampf von Frauen, Queers sehr gut zu kooptieren bzw einige haben vielleicht auch nie für was anderes gekämpft als ihre eigene Besserstellung. Dadurch haben sich zum Teil auch die Ausbeutungsverhältnisse verschoben und Queer bzw. Transmenschen sind in Deutschland nicht mehr zwingend am untersten Ende der Gesellschaft. Wobei sie statistisch auch in DE weiter häufiger als Cis-Frauen von Gewalt und Armut betroffen sind. Frei in dem Sinne, wie es einige radikale (in seinem eigentlichen Sinne) oder aber marxistische Denker*innen meinen, sind wir aber natürlich immer noch nicht. Wenn nun aber einige Gruppen postulieren, dass sie sich nur auf Frauen beziehen oder aber den Begriff Frau benutzen, dann haben diese Gruppe entweder keine gutes Verständnis von Patriarchat und Klasse, oder aber, sie haben nicht mal ein strukturelles Verständnis von Patriarchat. Z.B. würde ich der Behauptung widersprechen, wie es z.B. die Gruppe Frauenkampftag Magdeburg sagt, dass wir „als Frau“ auf dem Markt/ in der Arbeitswelt ausgebeutet würden. Ausgebeutet werden diejenigen, die Teil einer bestimmten Klasse sind bzw. weil sie einer Lohnarbeit nachgehen müssen werden sie ausgebeutet. Natürlich lässt sich Prostitution nicht ohne Patriarchat erklären, genauso wie sich Sklaverei nicht ohne Rassismus erklären lässt. Prostitution ist ein Gewerbe, Teil des Marktes. Diesem Gewerbe nachzugehen ist ökonomisch begründet und durch das Heteropatriarchat und den Kolonialismus bedingt. So gab es ja auch die Zeiten, in denen der Anteil an schwulen Männern in der prsotitution größer war und aktuell sind es vorwiegend nicht Deutsche oder BIPOC Frauen in dem Gewerbe. Als „Frau ausgebeutet“ werden wir wohl eher zu Hause, weswegen es ja in der 2. Welle Frauenbewegung den Spruch gab „Ehe ist die institutionalisierte Form der Prostitution“. So war damit gemeint, dass die ‚eheliche Verpflichtung Sex zu haben/ die Realität des Sex haben sollen in der Ehe (z.B. gab es ja bis 1992 keine Vergewaltigung in der Ehe) quasi Männern den Zugang zum weiblichen Körper im Einzelnen kostenlos gewährte. Wie aktuell diese Analyse ist, kann ich grad selber nicht sagen. So oder so – mein Punkt soll sein: wir brauchen eine materialistische Analyse von Prostitution, und wir brauchen einen materialistischen Feminismus im allgemeinen. Dieser muss Transinklusiv sein. Und dies bedeutet auch, uns mehr zu bilden und intensiv und kritisch mit liberalem Feminismus auseinander zu setzen.

6. Zusammen arbeiten mit SWERFs oder TERFs?

Mit ein wenig Recherche lässt sich auch bei Sisters e.V. feststellen, dass sie eine transfeindliche Perspektive haben. So schreibt Sister e.V. auf ihrer Seite:

„Und weil wir wissen, dass Körper real und Körper und Seele untrennbar miteinander
verbunden sind, sind wir nicht mehr nur Gegenpol der Ideologie, die Sexarbeit als
Dienstleistung begreift, sondern auch der Ideologie, die behauptet, dass nichts untrennbar
verbunden, sondern allein der Geist bestimmt, mit welchem geschlechtlichen Körper er
zurzeit eine Einheit sein will. Weiblich oder männlich? Nicht mehr Schicksal, sondern die
freie Wahl von freien Menschen.“

Nun schreibt Sisters e.V. aber auch etwas anderes auf ihrem Blog, was leider auch stimmt – dass diejenigen, die eine Trans-inklusive Position haben gleichzeitig auch die Kreise sind, die vehement eine liberale Position gegenüber Prostitution einfordern. Anders gesagt, muss man feststellen, dass in Deutschland der Kampf gegen Prostitution (und patriarchaler Gewalt) häufig aus Kreisen getragen wird, die transfeindlich sind und bis in ein konservatives Spektrum vernetzt (also Kirche & transfeindlichen Vereinen). Das ist mehr als kritisch, denn so gewinnen solche Positionen auch politisch Land. Ich verstehe euren Frust und ich finde es deswegen gut, dass ihr euch zu Wort meldet. Ich finde es richtig, aktuelle Zustände zu hinterfragen aber vielleicht sind diese Vereine nicht die besten Bündnispartner. Vielleicht aber auch doch, falls sie ihre Position auch diskutieren lassen. Dabei reicht es aber nicht, zu einem bestimmten Thema eine ablehnende oder zustimmende Haltung zu haben. Zugespitzt – Nazis sind auch gegen Pädophilie. Jedoch ist ihre Gesellschaftsanalyse für unsere Agenda insgesamt eher schädlich. Es wäre also nötig, sich da genauer anzuschauen, mit wem wir es zu tun haben oder aber an einer eigenen Analyse und Position zu feilen!

Ich freue mich auf eure Antwort, gerne auch per Email: feministplatform@systemli.org

Eine Feministin, nicht alleine aber auf der Suche nach Bewegung

Quellen:

  • Trans Gender Indentity. Contrapoints. https://www.youtube.com/watch?v=Rqv9UUqYS4s
  • Silvia Federici – Caliban und die Hexe
  • Liberaler vs materialistischer Feminismus: https://99zueins.fireside.fm/17
  • Zu Abolitionismus & prolet. Feminismus https://99zueins.fireside.fm/124
  • Zu Prostitution: https://99zueins.fireside.fm/102
  • https://megaphon.org/100-jahre-dgb-tun-der-sexindustrie-nicht-weh-oder-endlich-wieder-bambule-in-der-elbstadt/
  • https://sisters-ev.de/2023/02/17/warum-das-biologische-geschlecht-fuer-unsere-arbeit-wichtig-ist/

Zusätzliche Quellen:

  • Prostitutionskritischer Sommer“ – https://de.indymedia.org/node/282564
  • Maria Mies – Patriarchy and Accumulation on a World Scale. Women in the International Division of Labour Neuauflage.
  • Rafia Zakaria – Against white Feminism
  • bell hooks – feminist Class Struggle
  • Öcalan – Lliberating Life: Women’s Revolution