Nach Urteil gegen Lina E.: Stadt Leipzig verbietet Demo zum „Tag X“

Die Stadt Leipzig hat zum letzten Mittel gegriffen und die für Samstag angemeldete Demo der linken Szene verboten. Mehrere Tausend Demonstranten wollten nach dem Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. (28) durch die Stadt ziehen. Nun sind dezentrale Aktionen zu befürchten.

Leipzig. Jetzt ist amtlich, was schon Tage zuvor als Gerücht kursierte: Die Stadt Leipzig hat die einzige angemeldete Demo für den sogenannten „Tag X“ nach dem Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. (28) und ihre Mitangeklagten verboten. Der Aufzug unter dem Motto „United we stand – Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!“ sollte am Samstag um 17 Uhr in der Wolfgang-Heinze-Straße starten und über den Promenadenring bis zur Richard-Wagner-Straße führen. „Nach den derzeit erkennbaren Umständen ist die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet“, teilte die Stadt am Donnerstagabend mit. „Auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse kann alleinig ein Versammlungsverbot als geeignete Maßnahme zur Verhinderung eines unfriedlichen Versammlungsverlaufs gesehen werden.“ Es sei ein unfriedlicher Verlauf zu erwarten.

Einer Einschätzung der Polizei zufolge wurden für den Aufzug mindestens 1500 gewaltbereite und gewaltsuchende Linksextremisten sowie 4000 Sympathisanten aus der linken Szene erwartet. Der Anmelder hatte lediglich rund 500 Teilnehmer avisiert. Aus Sicht der Behörden stehe dies „in einem eklatanten Missverhältnis zum Maß der bundes- beziehungsweise europaweiten Mobilisierung sowie zur Bedeutung des ,Tag X‘ für die linke und linksextremistische Szene“, wie es in einer Allgemeinverfügung der Stadt heißt. Durch eine zu erwartende Zersplitterung der polizeilichen Kräfte würde die Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wesentlich erschwert. Die Polizei rechnet zum „Tag X“ mit massiven Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten, soll zu einem Demo-Verbot geraten haben.

Polizeigewerkschaft befürwortet Demo-Verbot

Auch Cathleen Martin, Sachsens Vorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft (DPolG), hält ein Verbot für richtig. Die Polizeidirektion Leipzig sei sehr gut aufgestellt, aber eine solche Lage wäre nur schwer beherrschbar gewesen, sagte sie auf Anfrage. Sie glaube allerdings nicht, dass sich die linke Szene an ein Verbot halten werde. Zugleich warnte sie, dass Linksextreme auch in den folgenden Nächten Anschläge im Stadtgebiet planen könnten.

Schon vor der Verbotsentscheidung hatte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) auf Anfrage der LVZ ein mögliches Verbot der Demo ins Spiel gebracht. Er mache sich angesichts der Informationen von Polizei und Staatsschutz ganz große Sorgen. „Das Gewaltpotenzial, das sich hier äußert, ist enorm und inakzeptabel“, sagte er. „Ich habe Verständnis für jede Demonstration, auch ein Urteil kann kritisiert und dagegen friedlich demonstriert werden.“ Aber die Gewaltaufrufe im Vorfeld aus ganz Deutschland und zum Teil auch aus Europa hätten die Stadt zu einer intensiven Prüfung eines Versammlungsverbots veranlasst. „Ich würde mir sehr wünschen, dass ein deutliches Signal aus Leipzig herauskommt, auch von den Linken, oder gerade von den Linken, dass der Protest friedlich geäußert werden soll“, so der Rathauschef. „Ich kann nur appellieren, den Protest immer respektvoll und friedlich zu artikulieren und dabei die Würde des Menschen zu respektieren.“

Auf dem linken Szeneportal Indymedia werden indes aggressivere Töne angeschlagen. Als sich die Anzeichen für ein drohendes Verbot verdichteten, ergingen Aufrufe, nun erst recht nach Leipzig zu kommen. Neben Protesten im linksalternativen Stadtteil Connewitz wollen Autonome auch dezentral im Stadtgebiet aktiv werden. Besonders besorgniserregend für Stadt und Polizei: Massenevents wie das Stadtfest in der Innenstadt sollen als Ausgangspunkt für Aktionen genutzt werden. „Wenn die Stadt unseren Protest verunmöglicht, wird das Konsequenzen haben, die dort treffen, wo es der Stadt wehtut“, heißt es in einem Aufruf. Bereits am Abend nach der Urteilsverkündung gegen Lina E. war es bei einer Demo im Leipziger Osten zu Ausschreitungen gekommen. Einige Teilnehmer skandierten: „Gebt dem Bullen, was er braucht, 9 mm in den Bauch“. Der Ton für den „Tag X“ ist damit gesetzt.

LVZ