Studie: Wie Unternehmer mit rechtem Gedankengut Einfluss in Sachsen nehmen

Ein Unternehmer aus Oybin, der einen Verein gründet, um völkisches Gedankengut zu verbreiten. Akteure aus der Neonazi-Szene, die am Stausee Quitzdorf Feriendörfer betreiben und damit rechten Kameradschaften einen Treffpunkt bieten. Reiche Firmenchefs, die für rechte Parteien spenden – in der Oberlausitz nehmen Unternehmerinnen und Unternehmer mit rechten Einstellungen zunehmend Einfluss. Forscher der Uni Leipzig haben jetzt diese Entwicklung analysiert.

Eine Studie der Uni Leipzig analysiert den Einfluss von Unternehmern in der Oberlausitz mit offensichtlich rechten Einstellungen.
Demnach hat ihr Engagement Folgen für die Verbreitung und Normalisierung extrem rechten Gedankenguts.
Wirtschaftsverbände und Unternehmervereinigungen sollten hier klare Kante zeigen, so die Extremismusforscher.

Sein politisches Engagement werde er stärker von seinem Unternehmen Hentschke Bau trennen, sagt Jörg Drews auf seiner privaten Internetseite. Der demokratie- und asylkritische Firmenchef von Sachsens größter Betonteile-Baufirma unterstützt die AfD, rechte „alternative“ Medien sowie Veranstaltungen, die auch extrem Rechten und verschwörungsideologischen Szenegrößen eine Plattform geben. Gleichzeitig ist das Unternehmen Hentschke Bau ein wichtiger Arbeitgeber in der Oberlausitz und fördert Sportvereine und soziale Einrichtungen vor allem in Bautzen. Selbst die Kommunalverwaltung sah über die Umstrittenheit des Unternehmers hinweg, weil Drews Bautzens verkommenen Bahnhof sanierte. Die Landkreisverwaltung zog dort als Hauptmieter ein.

Doch rechte Positionen einflussreicher Firmenchefs lassen sich nicht als persönliche Meinung abtun, sondern haben maßgebliche Folgen für eine ganze Region, wie eine neu erschienene Studie der Universität Leipzig herausarbeitet. Rechtes politisches und soziales Engagement von Unternehmen trage wesentlich zur Normalisierung antidemokratischer Positionen sowie zur Vernetzung extrem rechter Akteure bei, so die These der Studie. Sie ist jetzt mit dem Titel „Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen“ von dem Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung (EFBI) an der Uni Leipzig veröffentlicht worden.

Beispiele zeigen Einfluss der Unternehmer in der Oberlausitz

Neben Jörg Drews von Hentschke Bau werden unter anderem Aktivitäten und Vernetzungen von Dietrich Kuhn von Kuhn Kies+Sand in Oberneudorf, vom Garten- und Landschaftsbauer Helge Hilse aus Oybin – Mitbegründer des extrem rechten Netzwerkvereins „Ein Prozent“ – und vom Eigentümer des Görlitzer Jugendstil-Kaufhauses Winfried Stöcker anhand konkreter Beispiele in der Studie beschrieben und analysiert. Der Kernsatz der wissenschaftlichen Arbeit: Rechtes Denken, das sich in zivilgesellschaftlichem Engagement von Unternehmerinnen und Unternehmern zeigt, hat Folgen für die Verbreitung und Normalisierung extrem rechten Gedankenguts. „Wenn Menschen, die in der Region etwas darstellen, völkisches, extrem rechtes Gedankengut äußern und sich gegen die Demokratie stellen, ist das etwas anderes, als wenn das Bürger XY auf der Straße sagt“, betont der Soziologe Dr. Johannes Kiess, einer der Verfasser der Studie.

Mitarbeiter berichtet über nationalistische Ideologie im Pausenraum

Im Betrieb, in der Kneipe, im Verein seien durch solch gewichtige Fürsprecher Orte entstanden, an denen nationalistische Ideologie vorherrschend ist, führt Kiess weiter aus. „Das ist für alle, die anders denken, anders aussehen oder sonst wie nicht reinpassen extrem schwierig und auch gefährlich.“ So erinnerte sich ein ehemaliger Mitarbeiter von Hentschke Bau in einem Interview unter anderem an eine Situation am Hauptstandort der Firma in Bautzen: „Im Pausenraum wurde durch ein[en] Gabelstaplerfahrer vom Vergasen geredet und rechtsradikale Positionen geäußert. Kein Widerspruch in dem […] kleinen Pausenraum. Die circa 15 Mitarbeiter im Raum haben sich scheinbar durch die Äußerungen nicht gestört gefühlt.“

Das Interview wurde vom Görlitzer Recherchekollektiv „15 Grad Research“ geführt, dass den Leipziger Extremismusforschern auch Bilder und Videos rechter Veranstaltungen beisteuerte. Das Recherchekollektiv verfügt nach eigenen Angaben über eine Chronik zu rechter Gewalt und symbolischer Raumnahme in der Oberlausitz mit weit mehr als 800 Einträgen in den Jahren 1990 bis 2020.
Forderung: Wirtschaftsverbände müssen aktiv werden

Die Leipziger Forscher wollen aber mit der Studie nicht nur den Finger in die Wunde legen, sondern geben Handlungsempfehlungen. „Es braucht eine ganz klare Kante gegenüber extrem rechten und völkischen Positionen“, fordert Kiess. So seien Unternehmervereinigungen und Wirtschaftsverbände in der Pflicht, für dieses Thema zu sensibilisieren und selbst aktiv zu werden.

Demokratische Parteien sollten sich eindeutiger positionieren. Schließlich profitierten einige Unternehmen von regionalen Wirtschaftsförderungsprogrammen des Bundes, der Landes- und EU-Förderungen sowie Denkmalschutzförderungen. „Steuergelder des in der Szene verhassten demokratischen Staates tragen so indirekt zur Konsolidierung und Stärkung antidemokratischer Strukturen in der Region bei.“