Sexueller Missbrauch – Nacktfotos von Freundinnen ins Internet gestellt – Staatsanwalt erhebt Anklage gegen Leipziger DJ
Er soll freizügige Aufnahmen seiner Freundinnen heimlich auf eine Porno-Website gestellt haben: Jetzt muss sich ein Leipziger DJ deshalb vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat Anklage gegen den 37-Jährigen erhoben.
Gut zwei Jahre, nachdem die Leipziger Polizei die Wohnung eines Mannes durchsuchte, der verdächtig wird, hunderte Fotos ihm bekannter Frauen auf einer Porno-Plattform hochgeladen zu haben, muss sich der Angeschuldigte jetzt vor Gericht dafür verantworten. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat Anklage am Amtsgericht in dem Fall erhoben. Das teilte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz am Mittwoch der LVZ mit.
Die Tatvorwürfe lauten sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bilder und Beleidigung in fünfzehn Fällen und unerlaubtem Verbreiten von Bildern in vier Fällen.
Leipziger DJ angeklagt: Beschuldigter äußert sich bisher nicht
Der 37-jährige Beschuldigte, so Schulz, habe sich während des Ermittlungsverfahrens nicht zum Tatvorwurf eingelassen. Von Seiten des Gerichts sei bislang noch keine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgt, dementsprechend gibt es auch noch keine Prozess-Termine. Der Discjockey (DJ) soll über einen längeren Zeitraum Fotos, darunter Nacktfotos von Leipziger Frauen, die er sehr gut kannte, auf die Plattform xHamster hochgeladen haben. xHamster funktioniert wie eine Foto-Tauschbörse am Rande der Illegalität – denn als besonders begehrt gelten dort private Aufnahmen.
Ins Rollen kam der Fall 2021
Ins Rollen gekommen war der Fall im Dezember 2021, als die betroffenen Frauen die Tat am Jahrestag der Durchsuchung auf einem eigenen Blog namens „Our Bodies, Not Yours“ (“Unsere Körper, nicht deine“) öffentlich gemacht hatten. Die LVZ konnte mit zwei von ihnen über die Hintergründe der Anschuldigungen sprechen.
Laut Oberstaatsanwalt Schulz geht es in der Anklage um zwei verschiedene Tatkomplexe. Beim ersten bestehe der hinreichende Tatverdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen. Dabei geht es um einen Vorfall von Anfang Februar 2013 in Leipzig. Die Staatsanwaltschaft legt dem Beschuldigten zur Last, damals sexuelle Handlungen an einer Frau vorgenommen zu haben, wobei diese nicht in der Lage war, einen eigenen Willen zu bilden und zu äußern.
Keine Einstellung einzelner Taten wegen Geringfügigkeit
Der zweite Komplex umfasst den Tatvorwurf der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in Tateinheit mit Beleidigung in fünfzehn Fällen und unerlaubtem Verbreiten von Bildern in vier Fällen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung auf der Plattform xHamster zum Nachteil von 15 geschädigten Frauen.
Bei 18 weiteren Frauen, die sich ebenfalls als Opfer gemeldet hatten, erfolgte eine Einstellung der Ermittlungen, da die zu erwartende Strafe angesichts der Anklage nicht erheblich ins Gewicht fiele, so Schulz. Er stellt zudem klar, dass im vorliegenden Verfahren keine Einstellung einzelner Taten wegen Geringfügigkeit erfolgt sei. Es hätten sich keine hinreichenden Erkenntnisse ergeben, dass der Beschuldigte auch Fotos von Minderjährigen veröffentlich hat.
18.02.2022 LVZ
Uploads auf Tauschbörse xHamster – Keine Anklage gegen Leipziger DJ, der Nacktfotos ins Internet stellte
Auch mehr als ein Jahr nach der Tat und einer Hausdurchsuchung ist ein Leipziger DJ, der Fotos von Frauen auf einer Pornowebsite hochgeladen haben soll, nicht angeklagt. Dafür wurde bekannt, was für eine Strafe den 36-Jährigen im Falle eines Prozesses erwarten könnte.
Am 3. Dezember 2020 hatte die Polizei in Leipzig die Wohnung eines Mannes durchsucht, der verdächtig war, hunderte Fotos von Frauen, die er kannte, auf einer Porno-Plattform hochgeladen zu haben. Die Frauen hoffen seitdem auf eine Verurteilung des Täters.
Auch jetzt, mehr als ein Jahr nach der Durchsuchung, hat die Staatsanwaltschaft Leipzig noch keine Anklage gegen den 36-Jährigen Beschuldigten erhoben. „Die Ermittlungen dauern an und sind noch nicht abgeschlossen“, erklärte ein Sprecher.
Weitere „Auskünfte zu Einzelheiten der Ermittlungen und zu einer Bewertung der bisher gewonnenen Kenntnisse“ könne man nicht erteilen, ohne die Ermittlungen zu gefährden. Eine Auskunft, wie lang noch ermittelt werden soll, sei „nicht möglich“.
In weniger als vier Jahren wäre die Tat verjährt
Mehr Klarheit gibt es bei der Frage, weswegen ermittelt wird. Der Tatvorwurf betrifft die „Verbreitung pornografischer Schriften“ sowie die „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen“. Das Strafmaß könnte sich auf eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren belaufen. Frühestens nach insgesamt fünf Jahren wäre die Tat verjährt und eine Verurteilung nicht mehr möglich.
Die betroffenen Frauen hatten die Tat am Jahrestag der Durchsuchung auf einem eigenen Blog namens „Our Bodies, Not Yours“ https://www.ourbodiesnotyours.com („Unsere Körper, nicht deine“) öffentlich gemacht. Im Vorfeld hatten sie mit Hilfe einer Anwältin digitale Kopien von den unerlaubt hochgeladenen Fotos angefertigt, die sie auch vor Gericht verwenden könnten. Inzwischen hatte auch die Polizei Leipzig darum gebeten, die Kopien einzusehen.
Der Beschuldigte soll über einen längeren Zeitraum Fotos, darunter Nacktfotos von Frauen, die er sehr gut kannte, auf die Plattform xHamster hochgeladen haben. xHamster funktioniert wie eine Foto-Tauschbörse am Rande der Illegalität – denn als besonders begehrt gelten dort private Aufnahmen.
Zuletzt wurde diskutiert, die Plattform zu regulieren oder zu sperren, weil sie die Verbreitung sogenannter „Rachepornos“ fördert. Darunter fallen Nackfotos, die Täter aus früheren Beziehung von Ex-Freundinnen besitzen und ins Internet stellen, um den Frauen nachträglich zu schaden. Statistisch soll jede fünfte Frau im Alter zwischen 18 und 45 Jahren bereits Opfer sogenannter „Rachepornos“ geworden sein.
Auch deshalb wurde im Oktober 2021 der Paragraph zur Bestrafung wegen Stalking überarbeitet. Nun können Personen, die solche Fotos verbreiten, auch wegen Stalking und mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt werden. Für den Leipziger Fall kann der Paragraph nicht angewendet werden, er liegt zu weit zurück.
Von Josa Mania-Schlegel
18.12.2021 LVZ
#MeToo-Fall – Ermittlungen gegen Leipziger DJ: „Er war unser Freund“
Eine Leipzigerin entdeckt auf einer Pornowebsite Fotos von sich und Dutzenden Freundinnen. Schnell ist den Frauen klar, wer dahinter steckt. Jetzt sprachen sie erstmals über den Fall.
Er war nicht in Panik. So viel steht fest. Es war der Abend des 3. Dezember 2020 und nach allem was man weiß hatten Polizisten gegen 11 Uhr seine Tür eingetreten, ihn zu Boden gedrückt und all seine Datenträger mitgenommen.
Er muss wohl zunächst gedacht haben, es gehe um Drogen. So erzählen es heute seine ehemaligen Freunde. Erst später hatte er verstanden. Und so saß er nun an einem anderen Computer und löschte die Fotos jener Frauen, die er auf seinem Profil der Pornowebsite xHamster gesammelt hatte.
Die Frauen saßen auch vor ihren Computern und sahen ihm dabei zu. Sie beobachteten wie ihr alter Freund, Kollege, Bekannter, Flirt oder Ex-Freund ihre Fotos verschwinden ließ. Hunderte, nicht alle auf einmal, sondern eins nach dem anderen.
Nein, eilig hatte er es nicht. Eher wirkte es so, als fiele ihm das alles schwer.
„Er war sich seiner Sache sicher“
Sonja*, 28: „Ich war eine Zeit lang jeden Tag auf der Seite, habe neue Fotos gesehen, meine Fotos gesehen, die widerlichen Kommentare gelesen und verfolgt, was sich verändert.“
Franzi*, 38:„Seitdem ich davon erfahren habe, muss ich jeden Tag mindestens einmal daran denken. Manchmal haben wir beobachtet, wie er Fotos löscht oder andere hinzufügt. Er war sich seiner Sache extrem sicher.“
Sonja und Franzi sind Teil einer Leipziger Szene, die um Drum-and-Bass-Musik kreist: eine funkige, elektronische Musikrichtung mit schnellen Schlagzeugen und sphärischen Melodien, erfunden in Londoner Clubs. Zur Leipziger Szene gehören einige Hundert Personen, man kennt sich. Auch der Leipziger DJ gehörte dazu, legte in einschlägigen Clubs wie der Distillery auf und machte sich auch als Veranstalter einen Namen.
Um zu verstehen, warum die Leipziger Staatsanwaltschaft seit einem Jahr wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten gegen ihn ermittelt, muss man das Prinzip von xHamster kennen, Deutschlands meistbesuchter Pornoplattform. Die Website ist eine Art Tauschbörse für pornographische Fotos und Videos. Wer die Inhalte eines anderen sehen will, muss eigene anbieten. Als besonders wertvoll gelten private Fotos, die sonst niemand hat, zum Beispiel von den Ex-Freundinnen der Nutzer. Für diese Art Fotos existiert in der Szene sogar eine eigene zweifelhafte Kategorie: Revenge Porn, Rache-Porno.
Für jede Frau legte er einen Ordner an
Aber der Leipziger DJ lud nicht nur die Fotos von fünf Ex-Freundinnen hoch; Selfies, die sie ihm während der Beziehung geschickt hatten, Fotos vom Baden am See oder während sie nachts neben ihm schliefen. Er lud auch öffentliche Fotos aus sozialen Netzwerken hoch. Von Frauen, denen er vielleicht einmal begegnet war, auf Festivals, Partys, in seinem Freundeskreis.
Franzi: „Der Täter war einmal ein guter Freund. Wir kennen uns seit 20 Jahren. Wir haben ihn in unsere Familie aufgenommen, gemeinsam gefeiert. Oder wir haben Veranstaltungen organisiert, auf denen er als DJ aufgelegt hat.“
Sonja: „Ich kannte den Täter vom Feiern. Er wurde mir von jemandem vorgestellt. Wir sind nie Freunde geworden, aber auf einem Festival hat er einmal ziemlich viel emotionalen Ballast bei mir abgeladen. Ich hatte das Gefühl, er fühlt sich vom Leben bestraft und ich glaube, er wollte sich mit seiner Tat eine gewisse Macht zurückholen.“
In einem großen gemischten Ordner sammelte er die Aufnahmen Dutzender Frauen. Für Frauen, von denen er mehr als ein Foto besaß, legte er eigene Ordner an. Auf manchen der Fotos waren ihre Kinder oder Eltern zu sehen. In kleinen Begleittexten schrieb der DJ ihre Adressen und Namen dazu, oder wo sie arbeiteten. Und er rief andere Nutzer dazu auf, die Frauen zu besuchen.
Unter einigen Fotos breitete der DJ zusammen mit anderen Nutzern seine teils gewalttätigen Sexualfantasien aus. Über eine befreundete Lehrerin schrieb er, dass sie sich an ihren Schülern vergehen würde. Über eine Freundin, die neben ihm schlief, fantasierte er, sie erst zu betäuben und dann zu vergewaltigen.
„Man hätte mich finden können“
Irgendwann wird eine der Frauen zufällig auf die Fotos aufmerksam. Und sie erkennt auch andere auf den Fotos, Freundinnen und Bekannte vom Feiern aus Leipzig. Sie will ihnen Bescheid sagen, allerdings will sie auch nicht, dass der Täter von ihrer Entdeckung erfährt, möglicherweise alles löscht und sich so der Polizei entzieht. Sie muss vorsichtig vorgehen, kontaktiert nur Personen, denen sie vertraut. Und so lernen sich die Frauen aus dem Ordner des Leipziger DJs ganz allmählich kennen, wie eine Art Kettenbrief.
Sonja: „Mir hat ein guter Freund Bescheid gesagt, der davon erfahren hatte. Er hat mich dann zu der WhatsApp-Gruppe hinzugefügt, da waren schon 30 andere. Ich habe dann erst Stück für Stück richtig verstanden, was passiert ist. Mir hat sich eine krasse Welt eröffnet.“
Franzi: „Von mir wurden Name und Fotos, auch von der Arbeit, veröffentlicht. Man hätte mich finden können.“
Beiden, Franzi und Sonja, ist schnell klar, wer der Täter ist. Auch in der Gruppe herrscht darüber längst Einigkeit. Zum einen, weil er private Fotos aus Pärchen-Urlauben hochgeladen hat, über die nur zwei Personen verfügten. Und, weil auf einem seine Hand zu sehen ist, an der man ihn erkennt. Auf einem der Fotos ist er im Hintergrund zu sehen.
Um zu besprechen, wie sie vorgehen, treffen sich die Frauen in einem Video-Chat. Sie nennen ihn „Nagetier-Treffen“, denn das Wort „xHamster“ löst bei vielen bereits negative Gefühle aus. Die Frauen sind sich schnell einig, dass die Fotos aus dem Internet verschwinden müssen. Für sie ist es unerträglich zu sehen, dass fremde Männer im Internet über sie fantasieren, sie nackt sehen, vielleicht herausfinden können wo sie wohnen und arbeiten.
Ein Fall, der die Szene verändert
Eines wollen sie aber auch unbedingt: Dass der Täter bestraft wird. Dafür darf er keinesfalls von ihrem Netzwerk erfahren. Sie einigen sich, dass sie bereit sind, ihre Fotos noch einige Zeit im Internet zu belassen. Nur so lang eben, bis die Polizei den Täter, den Leipziger DJ, fasst und verurteilt. Bis dahin fertigen sie rechtssichere Screenshots von den Fotos an, um Beweise zu haben.
Sonja: „Das war natürlich auch furchtbar: Zu wissen, ich könnte die Fotos rausnehmen lassen und das nicht zu tun. Aber es war uns wichtig, dass er keine Beweise vernichten kann bevor es zu einer Verurteilung kommt. Darauf warten wir bis heute.“
Die Frauen stellen bei der Leipziger Polizei Anzeigen. Einen Monat lang passiert nichts. Sie rufen immer und immer wieder an. Am Morgen des 3. Dezember packt es eine der Frauen, sie ruft wutentbrannt in der Polizeidirektion an. Diesmal betont sie, dass der Täter nicht nur Fotos von Frauen, sondern auch von fremden Kinder hochgeladen hat. Kleine Mädchen in kurzen Shorts auf einem Rummel, vielleicht der Kleinmesse, offensichtlich heimlich aus der Hüfte fotografiert.
Diesmal wird die Polizei aktiv, eine Stunde später stehen sie bei dem Täter in der Wohnung. Einen richterlichen Beschluss brauchen sie nicht, denn dass der Täter dauernd online ist und Fotos löscht oder neue hochlädt gilt als Gefahr im Verzug.
Nach der Hausdurchsuchung passiert wieder lange nichts. Aber in der Leipziger Drum-and-Bass-Szene spricht sich der Fall herum. Und sie scheint hier etwas aufzubrechen. Denn die Szene ist nicht so hochpolitisiert wie etwa die Leipziger Techno-Szene, die auf Frauenquoten und Awareness-Konzepte wert legt. Als Sonja im Sommer Open Airs organisiert, manche im Friedenspark, auf der Pferderennbahn oder der Festwiese spürt sie, dass jetzt etwas anders ist.
Die Frauen kontaktieren seine Familie
Sonja: „Der Fall hat die Szene verändert. Wir haben gemerkt, wie Männer seitdem mehr aufpassen, ob es Übergriffe gibt und, ob es den Menschen um sie herum gut geht.“
Franzi: „Es kamen natürlich auch Fragen wie: OK, wo sollen wir hinfahren? Wen sollen wir zusammenfalten? Das wollen wir natürlich auf keinen Fall. Wir haben auch nie öffentlich den Namen des Täters genannt. Das würde uns einen fairen Prozess verbauen, den wir aber unbedingt haben wollen.“
Einigen in der Szene nennen die Frauen aber den Namen: Clubs und Veranstaltern, denen sie von dem Fall erzählen. Die Clubs erteilen ihm Hausverbot. Und sie vertrauen sich auch einem Teil seiner Familie an – aus Sorge, dass er suizidale Tendenzen entwickeln könnte. Sie bitten aber alle, den Namen nicht weiterzugeben.
Hat sich die Szene daran gehalten? In weiten Teilen ja. Aber wenn man sich eine Weile herumfragt, bekommt man einen Namen, unter dem sich im Internet nur noch die Ruinen einer DJ-Karriere finden. Er hat fast alles gelöscht. Auf einem Foto schaut er vertieft auf sein DJ-Pult, ein durchschnittlicher Mann mit Dreitagebart und runden Wangen, laut Staatsanwaltschaft 36 Jahre alt.
Einer, der jahrelang eng mit ihm zusammengearbeitet hat, sagt: „Er war cholerisch. Er hat sich immer mit allen angelegt, Scheiße gebaut und irgendwann keine Freunde mehr gehabt.“ Auch sein jahrelanger Drogenkonsum, glaubt der Ex-Kollege, soll ihn verändert haben. Obwohl er dauernd Freundinnen hatte, soll er Frauen gehasst haben.
Am Jahrestag der Hausdurchsuchung veröffentlichen die inzwischen mehr als 50 Frauen auf einer Website ihre Geschichte. Sie wollen, dass ihre Szene, ihre Stadt davon erfährt. Und möglichst, dass weiter gegen den Täter ermittelt wird. Außerdem wollen sie in Kontakt bleiben.
„Ich möchte ihn nicht wiedersehen“
Sonja: „Manche Frauen aus der WhatsApp-Gruppe kannten sich, manche nicht. Jetzt kennen sich alle. Wir haben gelernt, dass wir stark sind, wenn wir uns verbünden.“
Franzi: „Ich möchte diesen Mensch nicht wiedersehen. Ich möchte auch keine Entschuldigung. Ich möchte, dass keine Frau, kein Mensch das durchmachen muss, was wir hier durchmachen.“
Vor wenigen Tagen meldete sich die Leipziger Polizei bei ihnen. Sie fragte, ob man für weitere Ermittlungen die Screenshots der Frauen verwenden könnte.
Von Josa Mania-Schlegel
26.12.2021 RND
Wegen Missachtung des Kinder- und Jugendschutzes: Portal xHamster droht Netzsperre
Seit langem kritisieren Medienaufseher in Deutschland, dass Kinder im Netz spielend leicht an harte Pornografie kommen. Für die Unternehmen gibt es bislang keine Konsequenzen. Doch für das reichweitenstarke Pornoportal xHamster wird es nun eng: Ihm droht eine Netzsperre wegen Missachtung des Kinder- und Jugendschutzes.
Dem reichweitenstarken Pornoportal xHamster droht eine Netzsperre wegen Missachtung des Kinder- und Jugendschutzes. „Bei xHamster haben wir einen bestandskräftigen Bescheid, gegen den keine Rechtsmittel mehr möglich sind“, sagte der Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, Tobias Schmid, der Deutschen Presse-Agentur.
Andere Portalbetreiber klagen gegen die sie betreffenden Bescheide derzeit noch vor dem Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen. Die Rechtslage sei dabei aus Sicht seiner Behörde „ziemlich eindeutig“: „Es ist Pornografie, es gibt keine Altersverifikation und es ist deutsches Recht anwendbar“, sagte Schmid.
xHamster verweigert bislang Kommunikation mit Aufsichtsbehörde
Weil xHamster bislang jegliche Kommunikation mit der Aufsichtsbehörde verweigere und keine der Maßnahmen umgesetzt habe, um sein Angebot legal zu gestalten, sei man nun an die Netzbetreiber herangetreten. Dies seien unter anderem Vodafone und Telekom: „Wir haben sie über den Umstand informiert, dass es illegale Inhalte in ihren Netzen gibt, die zu sperren sind und hören sie dazu derzeit an. Dann entscheiden wir.“
„Wir setzen Zugangssperren nur dann technisch um, wenn diese rechtskräftig angeordnet werden“, sagte ein Telekom-Sprecher auf Anfrage. Bei Vodafone hieß es: „Wir arbeiten gerade an der rechtlichen Bewertung.“ In der Antwort an die Landesmedienanstalt werde man die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 1. Dezember berücksichtigen. Das Gericht hatte der Landesanstalt in vollem Umfang Recht gegeben.
xHamster: Durch Netzsperren würden junge Menschen auf kleinere Seiten ausweichen
xHamster teilte auf dpa-Anfrage mit, Netzsperren seien „weit von einer optimalen Lösung entfernt“. Durch sie würden junge Menschen lediglich auf kleinere Seiten ausweichen, bei denen sie extremeren Inhalten ausgesetzt seien.
Das Unternehmen sei bereit, mit den deutschen Behörden zusammenzuarbeiten. Derzeit seien Altersüberprüfungen die einzige Möglichkeit, um junge Menschen von Erwachseneninhalten fernzuhalten. Man könne eine solche Technologie einsetzen. Dies müsse aber branchenweit geschehen.
„Ich kenne kaum jemanden, dem wir mehr Briefe und Emails geschickt haben als xHamster und wir haben genau null Antworten bekommen“, sagte dagegen Schmid. Es stehe dem Portal aber jederzeit frei, sich rechtskonform zu verhalten und damit das Verfahren gegen sich zu beenden.
Wie kann man Kinder und Jugendliche im Netz schützen?
Er nehme „etwas erstaunt zur Kenntnis“, dass einer der Netzbetreiber eine Anwaltskanzlei beauftragt, um üppige Fristverlängerung gebeten habe und „seine gesellschaftspolitische Verantwortung nicht schneller annimmt“, sagte Schmid. Immerhin gehe es um die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen.
Bedauerlich wäre, wenn diese noch monatelang schutzlos blieben. „Es geht schließlich um einen eindeutig rechtswidrigen Inhalt. Wenn das jetzt nicht besser funktioniert, muss sich der Gesetzgeber das auch noch mal anschauen“, sagte Schmid. „Jeder 12-Jährige hat heute ein Smartphone und kann von Tiktok zu diesen Angeboten wechseln.“
Früher sei der Zugang zum Netz über den heimischen PC erfolgt. „Aber die Eltern haben heute darauf keinen Zugriff mehr.“ Die Situation habe sich einfach verändert. „Hier geht es auch nicht um die Meinungsfreiheit, sondern um ein Geschäftsmodell, das sich einer illegalen Praxis bedient.“
Umfrage: Großteil der Eltern für Vorgehen
Ein Großteil der Eltern in Deutschland scheint hinter dem Vorgehen zu stehen, wie eine repräsentative Meinungsumfrage im Auftrag des Kinderhilfswerks ergeben hatte: 93 Prozent der befragten Eltern sprachen sich für eine verlässliche Altersprüfung und härtere Strafen bei Verstößen aus.
09.12.2021 LVZ
„Our bodies, not yours“ – Nacktfotos auf Pornoseiten veröffentlicht? Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Leipziger DJ
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Leipziger DJ, weil er auf einer Pornoseite Fotos von Frauen veröffentlicht haben soll. Es geht um öffentliche Facebook-Fotos – aber auch um private Nacktaufnahmen. Die Betroffenen haben eine Petition gestartet.
Vor einem Jahr erhält eine Leipzigerin eine Nachricht: Ein Freund hat Fotos von ihr im Internet entdeckt. Nicht irgendwo, sondern auf xHamster – Deutschlands meistbesuchte Pornoseite, die immer wieder wegen Missbrauchs in der Kritik steht.
Unter den mehr als 1000 Fotos entdeckt die Frau ihre Freundinnen. Und die erkennen weitere Freundinnen. Auf manchen Fotos scheinen die Frauen zu schlafen. Der Täter fotografierte sie heimlich, auch intime Stellen.
Neue Fotos und eine Hausdurchsuchung
Nach wenigen Tagen schließen sich die inzwischen 50 Frauen zusammen. Wer der Täter ist, ist ihnen inzwischen klar: Ein DJ aus der Leipziger Drum-and-Bass-Szene, in der sie zum Teil auch selbst unterwegs sind. Die Frauen stellen Anzeige, eine von ihnen wird als Zeugin vorgeladen. Später lädt der Täter neue Fotos hoch, diesmal von Minderjährigen, heimlich auf einem Rummel aufgenommen.
Anfang Dezember vergangenen Jahres führen Beamte eine Hausdurchsuchung durch und beschlagnahmen mehrere Datenträger des mutmaßlichen Täters. Die Leipziger Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf, wie ein Sprecher der Behörde am Donnerstag bestätigt. Es werde gegen einen 36-Jährigen ermittelt – unter anderem wegen des Tatvorwurfs der Verbreitung pornografischer Schriften. Nähere Angaben teilt die Behörde zunächst nicht mit.
„Our Bodies, not yours“
Auch zu einer Verurteilung kam es bislang nicht. Diese Woche entschlossen sich die Frauen, ihre Erfahrung öffentlich zu machen. Auf einer Website mit dem Titel „Our bodies, not yours“ („Unsere Körper, nicht deiner“) teilen sie ihre Erfahrungen. Hinweise darauf, um wen es sich bei dem Täter handelt, geben sie nicht.
Auf der Website verlinken sie auch auf eine Petition anderer Frauen, die eine vehementere Verfolgung von Straftaten auf Porno-Plattformen fordert. Fast 120.000 Personen haben dort unterschrieben. Ab 50.000 Unterschriften wird eine Petition dem Bundestag zugestellt.