Let’s take care of each other, so we can be dangerous together.- Aufruf Tag X Leipzig

Let’s take care of each other, so we can be dangerous together.

Das Antifa-Ost-Verfahren stellt einen weitreichenden Schlag des Staates gegen die gesamte linksradikale und antifaschistische Bewegung dar. Wir sind uns dessen bewusst und sind generell solidarisch mit Betroffenen von Repression. Im Zuge dieses Verfahrens und der Soli-Kampagne sind einige beschissene Informationen über patriarchales Verhalten einiger Beschuldigter und dem Umfeld ans Licht gekommen, die uns fassungslos machen. Wir müssen hier eine Grenze ziehen und fragen, worin eine gemeinsame inhaltliche Basis besteht und ob wir diese überhaupt haben. Wir müssen uns klar und kritisch gegenüber bestimmten Personen und ihrem patriarchalen Verhalten, gegenüber Tätern sowie dem täterschützenden Umfeld erklären.
Es ist möglich und nötig Kritik zu üben und weiterhin gegen die Repression zu kämpfen. Wir wollen neben dem Soli-Antifa-Ost Bündnis auch andere Strukturen in verschiedenen Städten zur Verantwortung ziehen. Mit aller Kritik, Frust und Zweifeln die wir haben, ist dieser Repressionsfall einer der auch von uns nicht unbeantwortet bleiben und stattdessen kritisch solidarisch begleitet werden muss. Wir nehmen die Parole: „Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle!“ ernst. Und auch auf jeden weiteren Repressionsschlag gegen Antifaschist*innen werden wir gemeinsam reagieren.
Wir bekennen uns zum militanten Antifaschismus!
Wir bekennen uns zu einem aktiven Antirassismus!
Wir haben uns zur Organisation für einen antipatriarchalen Block entschieden, welcher der Vorderste auf der Tag X Demo zum Ende des laufenden Antifa-Ost Prozesses sein wird. Wir nehmen uns den Raum, der uns zusteht und setzen dem Bild der Antifa-Macker-Helden unsere Ideen von feministischer, antipatriarchaler und anti-staatlicher Militanz und Antifaschismus entgegen.
Der Begriff antipatriarchaler Block steht im Widerspruch zu unserer eigentlichen Annahme, dass die gesamte Demo begriffen haben sollte, dass sich antipatriachal zu positionieren eine Notwendigkeit ist. Auch wenn wir die Grundsätze als Maßstab für die gesamte Demo sehen, haben die jüngsten Ereignisse gezeigt, dass das Konzept weiterhin erforderlich ist.

Antifa geht nicht ohne Feminismus

Faschismus, Rassismus und patriarchale Unterdrückung sind, wie alle Herrschaftsverhältnisse, eng miteinander verbunden. Der Kampf gegen Faschismus muss daher den Kampf gegen das Patriarchat beinhalten. Eine gemeinsame Praxis mit der einzigen Gemeinsamkeit, Nazis angreifen zu wollen, reicht für uns nicht aus. In unserer antifaschistischen Praxis müssen wir auch über patriarchales Verhalten unter uns reden. Wie treffend im Statement der Roten Hilfe Ende letzten Jahres analysiert wurde: Der Verrat fing nicht erst mit Domhövers Aussagen an! Der Verrat fängt mit jedem Übergriff, jeder Vergewaltigung an!
Wir müssen vertrauensvolle Strukturen aufbauen, in denen wir uns und unsere Beziehungen untereinander gut kennen und im Blick haben. Wir müssen uns einmischen, wenn wir patriarchales Verhalten unter unseren Gefährt*innen bemerken. Wir lassen keine sexualisierte Gewalt in unseren Strukturen zu. Wir konfrontieren und bekämpfen Täter*innen sexualisierter Gewalt. Wir wollen, dass sie Angst haben und wissen, dass ihr Handeln nicht unbeantwortet bleibt. Den verlinkten Diskussions- & Handlungsvorschlag fanden wir inspirierend².

Unsere Solidarität gegen Staat, Patriarchat und Repression

Patriarchale Gewalt manifestiert sich auch in den staatlichen Institutionen wie der Justiz. Sie repräsentieren die Macht des Staates und die Normen dieser Gesellschaft, wie patriarchale und rassistische Gewalt, Klassismus und Ausbeutung. Die Justiz sowie die Gerichte sind durchzogen von einer patriarchalen Ordnung, in welcher der Richter (als Patriarch) schlichtet und bestraft, die Staatsanwaltschaft klagt an, die Angeklagten haben nichts zu sagen. Die Justiz beruht auf extrem sexistischen und rassistischen Gesetzen, die von weißen cis-hetero Männern geschaffen wurden. Dennoch behauptet sie in patriarchaler Logik objektiv zu sein. Zur Lösung von Konflikten soll es nur Bestrafung geben. Wir FLINTAs und Queers werden vom Staat aufgrund unserer von der Norm abweichenden Körper, Sexualität, vermeintlich psychischer Eigenschaften, unseres Antifaschismus und unserer Militanz bekämpft. Die ersten Knäste waren Frauenknäste zur Züchtigung abweichenden Verhaltens.
Repression richtete sich also schon historisch zuerst gegen Frauen (und solche die als Frauen angesehen wurden) und Queers. Gleichzeitig wird sexualisierte Gewalt von der Justiz verharmlost und fremdbestimmt, was sie als objektiv beurteilt deklarieren, aber Vergewaltiger werden so gut wie nie verurteilt. Daran knüpft sich nicht die Forderung nach einer verstärkten Verfolgung, sondern es zeigen sich strukturelle Dimensionen des Patriarchat im Staat.
Auch im Antifa-Ost Verfahren und den Aussagen von JD zeigt sich wieder deutlich, wie verharmlosend und leugnend sexualisierte Gewalt dargestellt wird. Wie sexistisch und retraumatisierend der Umgang mit dem Sexualstrafverfahren für die Betroffene war, ist im Artikel „Zum Sexualstrafverfahren gegen den Kronzeugen Johannes Domhöver“³ ausführlich dargestellt worden. Den Schulterschluss zwischen der staatlichen und internen Gewalt manifestierte sich darin, dass es lange Zeit Wissen über die Täterschaft von JD und dem weiteren Umfeld gab. Das Wissen blieb konsequenzlos und es wurden Leute gedeckt. Zwei Jahre nach Bekanntwerden der Täterschaft von JD gibt es eine explizite Stellungsnahme von den Cis-Männern vom Soli-Antifa-Ost Bündnis, zwei fucking Jahre hat es gebraucht!⁴
Wir werden daher nicht aufhören den Staat und seine Gesetze, Faschist*innen und patriarchale Schweine zu bekämpfen. Wir wollen, dass die Angst die Seite wechselt! Daher kann unser Feminismus nur antistaatlich sein. Unsere Solidarität und unser Kampf gegen Repression muss feministisch sein.
Wir sind also solidarisch mit denen, die aufgrund ihres Antifaschismus von staatlicher Repression betroffen sind, denn wir sind als feministische Antifaschist*innen ebenfalls betroffen. Die Repression richtet sich gegen uns als Bewegung.

Feministische & militante Organisierung gegen Staat und Patriarchat!

Feministische militante Organisierung hat eine Geschichte, wir waren schon immer da, mal mehr mal weniger sichtbar. Für uns ist Militanz kein Selbstzweck, sondern legitimes Mittel im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Wir wollen keinem Gewaltfetisch verfallen und überlegen uns daher sehr genau, wann wir welches Mittel wählen um unsere Ziele zu erreichen. Dazu gehört, die Risiken der Repression, Verletzung von unbeteiligten Personen, Verhältnismäßigkeit der Gewalt etc. abzuwägen. Wir reden in unseren Zusammenhängen über Repression und Knast, über Ängste, Bedürfnisse und Maßnahmen im Umgang mit Repression.
Mit Konsens und Achtsamkeit untereinander bauen wir verbindliche Strukturen auf. Wir nehmen uns Zeit auf unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten zu achten und über Sicherheitsvorkehrungen zu reden. Dadurch bauen wir Vertrauen zueinander auf, stärken uns gegenseitig und können uns aufeinander verlassen, auch wenn es hart auf hart kommt. Das ist die Grundlage für unseren Selbstschutz vor staatlichen Angriffen, Spitzeln und patriarchalen Übergriffen. So können wir gemeinsam stark sein und dem Staat und Faschist*innen gegenüber gefährlich werden.

Kommt in den antipatriarchalen Block!

Der Block ist all-gender, für Leute die sich klar queerfeministisch und intersektional positionieren und sich entsprechend verhalten (keine Radikalfeminist*innen).
Die vordersten Reihen sind FLINTA-only. Wir wollen kein Rumgemackere von hetero-cis Dudes!(Queer-)feministische Parolen sollen gerne mitgerufen und nicht von anderen niedergeschrien werden.
Antipatriarchales Verhalten auf Demos bedeutet für uns genauso, dass wir achtsam für kollektive Dynamiken im Block und Einzelaktionen sind. Wir nutzen dabei die Stärke unseres kollektiven Bewusstseins, um möglichst alle in unserem Umfeld auf dem Schirm zu haben, uns gegenseitig zu stützen und vor Festnahmen und Angriffen zu schützen!
Wir freuen uns, wenn Menschen sich empowern können und ihrer Wut einen kämpferischen Ausdruck verleihen!

Tag X Leipzig- Let’s take care of each other, so we can be dangerous together!

 

 

LINKS:
¹https://antirepression.noblogs.org/post/2021/12/30/beitrag-der-roten-hilfe-leipzig-zur-debatte-um-den-taeter-johannes-domhoefer-in-bezug-zu-solidaritaetsarbeit/
²https://kontrapolis.info/6204/ „Wir genossen die Angst in seinen Augen.“ – Konfrontation eines Täters
³https://knack.news/2964 „Zum Sexualstrafverfahren gegen den Kronzeugen Johannes Domhöver“
⁴https://knack.news/4343 „Stellungnahme zu Täterschaften und Täterschutz im SAO“