Mutmaßlich rechtsextremer Übergriff in Taucha: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Tatverdächtige

Ende Juni soll ein Jugendlicher in Taucha Opfer eines brutalen Übergriffs geworden sein – so hatte es ein ansässiger Verein berichtet. Jetzt steht fest: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Verdächtige. Auch zu einer Durchsuchung kam es.

Nach einem mutmaßlichen Übergriff in Taucha im Sommer, der nach Schilderung eines ansässigen Vereins rechtsextrem motiviert gewesen sein soll, ermittelt die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen zwei Beschuldigte. Dabei geht es unter anderem um den Vorwurf der räuberischen Erpressung, der vorsätzlichen Körperverletzung und Nötigung, erfuhr die LVZ von der Staatsanwaltschaft. Ermittelt wird demnach auch wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen zum Nachteil eines damals 14-Jährigen.

Auch zu einer gerichtlich angeordneten Durchsuchung auf Antrag der Staatsanwaltschaft kam es. Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz wurden bei einem der Beschuldigten Gegenstände, die als Beweismittel in Betracht kommen, sichergestellt. Wann es zur Durchsuchung kam, blieb vorerst unklar.

Mutmaßlicher Übergriff war Ende Juni bekannt geworden

Damit gewinnen die Ermittlungen in einem Fall an Fahrt, der über Taucha und Leipzig hinaus für Aufsehen gesorgt hatte. Ende Juni hatten der Tauchaer Saft e.V. (Solidarische Alternativen für Taucha) und die Aktion Antifa auf ihren Internetseiten von einem brutalen Übergriff auf einen 14-Jährigen nordöstlich von Leipzig berichtet.

Der Jugendliche soll, so heißt es in den Interneteinträgen, am 22. Juni noch vor dem Morgengrauen in Taucha „von zwei Personen bedrängt, geschlagen, genötigt und über mehrere Stunden festgehalten“ worden sein. Dem Blogeintrag des Saft e.V. zufolge hätten sie ihn nur spärlich bekleidet durch die Umgebung getrieben, „um nach vermeintlich linken Graffiti zu suchen.“

Beschuldigte laut Leipziger Staatsanwaltschaft nicht vorbestraft

Bisher war zu den Ermittlungen nichts nach außen gedrungen, nur mit einem Zeugenaufruf hatten sich die Behörden an die Öffentlichkeit gewandt.

Wie es nun von der Staatsanwaltschaft hieß, sind die beiden Beschuldigten nicht vorbestraft. Nur gegen einen seien zuvor durch die Staatsanwaltschaft Leipzig Ermittlungsverfahren geführt worden. Den Angaben nach wurden diese Verfahren aber eingestellt – und seien vorliegenden Erkenntnissen nach „nicht wegen des Tatvorwurfs mutmaßlich politisch motivierter Straftaten geführt worden“. Zu Festnahmen kam es laut Staatsanwaltschaft nicht. Die Ermittlungen dauern nun an, erklärte Oberstaatsanwalt Schulz weiter. Bis zum vollständigen Abschluss dieser erfolge auch keine Bewertung der bisher vorliegenden Erkenntnisse, teilte er der LVZ mit.


06.07.2022

Angriff auf 14-Jährigen? -Ein entsetzlicher Vorwurf – und viele Fragen: Was ist in Taucha passiert?

Die Beschreibung ist brutal, die Aufregung groß: Ein 14-Jähriger soll in Taucha von Rechten angegriffen worden sein – so berichtet es ein ansässiger Verein. Doch noch immer herrscht Unklarheit. Die Polizei weiß nach LVZ-Informationen inzwischen, wer der mutmaßlich Geschädigte sein soll. Anwohner haben von der Tat nichts mitbekommen.

Leipzig. Es sind Szenen, die einen erschaudern lassen. Von Schlägen ist die Rede, von Erniedrigungen, übelsten Beschimpfungen – alles auf den Straßen Tauchas, zwischen Wohnhäusern und einem Gasthaus. Diese Schilderungen sind, so sieht man es in Taucha und darüber hinaus, entsetzlich. Ob es stimmt, was unter anderem ein Tauchaer Verein vor zwei Wochen öffentlich gemacht hatte, beschäftigt inzwischen auch die Kriminalpolizei.

Was war passiert? Am letzten Juni-Wochenende hatten der Tauchaer Saft e.V. und die Aktion Antifa auf ihren Internetauftritten Beiträge veröffentlicht, die einen brutalen Angriff auf einen Jugendlichen nachzeichnen. Die mutmaßlichen Täter: zwei Rechtsextreme. Der Auslöser: angeblich ein linkes Graffito, das ein 14 Jahre alter Jugendlicher zuvor gemalt haben soll. Das Opfer soll in den frühen Morgenstunden des 22. Juni dann durch die Straßen getrieben worden sein, die Täter hätten versucht, an Informationen über sein politisches Umfeld zu kommen.

Am Samstag demonstrierte Leipzig nimmt Platz

Während sich der Beitrag schnell in sozialen Netzwerken verbreitet hatte, wuchsen bei Menschen in Taucha aber auch Zweifel. „Ich schlafe im Sommer mit dem offenen Fenster zur Straße“, sagte eine Anwohnerin der LVZ, die angab, in jener Nacht nichts wahrgenommen zu haben. „Ich kenne nicht einen, der etwas gesehen oder gehört hat“, meint eine andere.

Am letzten Wochenende mobilisierte dann das Aktionsbündnis Leipzig nimmt Platz für eine Kundgebung, knapp zweihundert Menschen fuhren vor die Tore Leipzigs.

Polizei entdeckt Graffito, das mit der Tat zusammenhängen könnte

Offizielle Aussagen der Polizei zu diesem Vorfall bleiben bislang unkonkret. In einem öffentlichen Aufruf wurde der Betroffene gebeten, sich bei der Polizei zu melden. Für die Ermittler war das bisher das Hauptproblem: Direkt an die Polizei hatte sich der Jugendliche nicht gewandt, die Behörden wurden von Amts wegen tätig, es ermittelt der Staatsschutz.

Inzwischen sind die Ermittlungen in Gang gekommen. Der mutmaßlich Geschädigte ist der Leipziger Polizei nun „im besagten Sachverhalt bekannt“, wie die LVZ von der Polizeidirektion erfuhr. Auch ein Graffito, das mit der Tat in Zusammenhang stehen könnte, haben die Ermittler entdeckt. „Ob es sich hierbei jedoch um das ursächliche Graffito handelt, kann noch nicht gesagt werden“, hieß es am Mittwoch.

Anfang der Woche hatte es zudem Gerüchte gegeben, das Opfer habe inzwischen bei der Polizei ausgesagt. Das ist nach LVZ-Informationen aber nicht der Fall. Der junge Erwachsene soll in Kontakt mit einer Beratungsstelle für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt stehen. Die Ermittlungen dürften sich also noch so lange hinziehen, bis der Teenager eine Aussage macht.

Der Saft e.V. will mit dem Opfer gesprochen haben

In jedem Fall gilt die Aussage des Jungen als entscheidend. Der Tauchaer Saft e.V. selbst will mehrmals mit dem 14-Jährigen gesprochen haben, so bestätigt es ein Vereinsmitglied der LVZ. Der Teenager habe im Gespräch einen „verunsicherten Eindruck“ gemacht, präzisierte er. „Wir waren nicht dabei. Uns sind solche Vorfälle aber nicht fremd, daher erschien uns die Schilderung vorstellbar“, begründeten die Ehrenamtlichen ihren Entschluss, dennoch an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch selbst sei der Verein in der Vergangenheit schon ins Visier von Rechten geraten. „Unser Chef wurde als Linksextremist diffamiert und Sticker wurden im gesamten Stadtgebiet verteilt.“

Tauchaer wehren sich gegen Verallgemeinerungen

Der Verein, so hört man in Taucha, hat im Ort nicht überall einen leichten Stand. So ist in den sozialen Netzwerken nach der Veröffentlichung zum Überfall auch zu lesen: Es gehe den Verantwortlichen darum, „Taucha in den Dreck zu ziehen“ – Kommentare wie diese sind kein Einzelfall.

Dass man der Stadt ein rechtes Label aufdrücken wolle, weist der Verein scharf zurück. „Es gibt in Taucha auch engagierte Menschen“, sagt das Vereinsmitglied, das sich bereit erklärt hat, mit der LVZ zu sprechen. Der Verein sieht den jüngsten Vorfall indes als „traurigen Höhepunkt einer schon seit mehreren Jahren zu beobachtenden Entwicklung in Taucha“. Genannt wird etwa die Scheibe des ansässigen Almede-Vereins, die schon mehrmals eingeschlagen wurde. Aber auch der Name Benjamin Brinsa fällt: Ihm werden Kontakte in die Neonazi-Szene nachgesagt, auch gilt er als Gesicht des „Imperium Fight Gyms“, einer Kampfsporttrainingsstätte bei Taucha, deren Eröffnung vor zwei Jahren Aufsehen erregt hatte.

Zum Bild gehöre aber, heißt es in Taucha, dass die Stadt neben Delitzsch in Nordsachsen die einzige gewesen sei, in der die AfD zur letzten Bundestagswahl nicht stärkste Kraft wurde. Und da ist auch der parteilose Bürgermeister Tobias Meier, der bei seinem Einzug ins Rathaus 2015 von Grünen, FDP, SPD und Linken unterstützt wurde – und vor wenigen Wochen in seinem Amt bestätigt wurde.