Prozess um Lina E. – Befragung des Kronzeugen geht weiter
Im Prozess um Lina E. geht die Vernehmung des Kronzeugens weiter. Nun dürfen die Verteidiger der drei Angeklagten ihn befragen.
Dresden. Nach einer coronabedingten Unterbrechung wird heute im Prozess gegen Lina E. und ihre drei Mitangeklagten am Oberlandesgericht Dresden (OLG) die Vernehmung des Kronzeugen fortgesetzt. Der 30-jährige Erzieher ist ein mutmaßlicher Mittäter der vermeintlichen linksextremen Gruppe, die gezielt Anschläge auf Neonazis begangen haben soll.
Nachdem der Zeuge bereits seit Ende Juli vom Senat und der Bundesanwaltschaft vernommen wurde, sind nun die Verteidiger an der Reihe. Sie dürften versuchen, die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen, der sowohl Lina E. als auch ihre Gruppe massiv belastet hat, zu erschüttern.
Am Vormittag räumte Mann, der sich im April freiwillig den Behörden gestellt hatte, ein, dass er im Rahmen des Zeugenschutzprogramms monatlich 1.500 Euro erhält. Das entspreche seinem letzten Netto-Einkommen, das er als Erzieher in einer Kita in Warschau erhalten habe. Er hoffe, eines Tages, nach Abschluss aller Verfahren wieder einer selbstbestimmten Erwerbstätigkeit nachgehen zu können.
Kronzeuge: Keine Versprechungen gemacht worden
In der Vernehmung durch einen von E.s Verteidigern ging es zunächst um seine sieben Zeugenvernehmungen mit Beamten des Landeskriminalamtes Sachsen, die alle im Monat Mai stattgefunden haben. Darüber hinaus habe es Treffen mit Beamten des Zeugenschutzprogramms gegeben, um organisatorische Dinge zu besprechen.
Der Kronzeuge legte Wert darauf, dass ihm für seine Aussagen keine Versprechungen gemacht worden seien. Doch genau das bezweifeln die Verteidiger ganz offensichtlich. Nach gegenwärtiger Planung werden sie auch am Donnerstag und Freitag ihre Befragungen fortsetzen.
Richter Hans Schlüter-Staats, der Vorsitzende des Staatsschutzsenats am OLG, deutete an, dass er in der kommenden Woche den Angeklagten die Gelegenheit geben möchte, Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen zu machen. Das heißt, dass in dem Prozess nun die Beweisaufnahme ihrem Ende entgegensieht.
Kronzeuge war zuvor aus Szene ausgeschlossen worden
Die Existenz des Kronzeugens wurde im Juni überraschend bekannt. Der Erzieher hatte berichtete, wegen Vorwürfen von Sexualstraftaten aus seiner Szene ausgeschlossen worden zu sein.
Er sei auch in Warschau angegriffen worden, weil man ihn wiedererkannt habe, und habe im April seine Erzieher-Stelle verloren. Im März und April sei er noch in Polen von zwei Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz angesprochen worden. Das berichtet der Kronzeuge auch am Mittwoch wieder. Auch sechs Beamte des polnischen Inlandsgeheimdienstes seien dabei gewesen.
Die deutschen Beamten hätten ihm vorgeschlagen, dass eine „Zusammenarbeit sinnvoll sei, weil sowieso alles an die Wand gefahren ist“, wie der 30-Jährige sagt. In der Szene geoutet, von der Polizei verfolgt und ohne Job. Er habe sich ausgerechnet, dass er rund sechs Jahre Haft vor sich habe – neben einer offenen Bewährungsstrafe drohten in mehrere Prozesse in Deutschland und in Paris. Vier- oder fünfmal habe es solche Treffen in Polen gegeben, Ende April sei er nach Deutschland gereist und bereits am 1. Mai erstmals von der sächsischen Polizei vernommen worden.
Als einzige der vier Angeklagten sitzt die Leipziger Studentin Lina E. bereits seit November 2020 in Untersuchungshaft. Der Prozess gegen die mutmaßliche links-militante Gruppe, der neben Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung auch Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird, läuft bereits seit Anfang September vergangenen Jahres.