Haftbefehl gegen 26-jährigen Mohammad K. aus Leipzig

Am Dienstag hatten Dutzende in der Südvorstadt gegen die Abschiebung des Jordaniers demonstriert. Nun soll der junge Mann, der sich in einer Leipziger Klinik befindet, inhaftiert werden.

Leipzig. Am Dienstagnachmittag hatte sich der 26-jährige Mohammad K. noch durch Selbstverletzung seiner geplanten Abschiebung entzogen. Blutend und mit Verletzungen am Unterarm kam er ins Leipziger Universitätsklinikum – gut bewacht von der Polizei.

Nun soll der Mann aus Jordanien in Abschiebehaft kommen. Ein entsprechender Beschluss wurde am Mittwochnachmittag durch das Amtsgericht Dresden erlassen. Ein Haftrichter war dafür nach LVZ-Informationen persönlich in die Uniklinik gefahren.

Der Sächsische Flüchtlingsrat kritisiert das Vorgehen der Behörde. „Eine solche Person in Haft zu nehmen, bedeutet, sie noch weiter unter Druck zu setzen“, erklärt die Sprecherin Paula Moser. „Das ist unverhältnismäßig und rechtsstaatswidrig.“

Abschiebehaft in Dresden statt Wohnung in der Südvorstadt

Nach Angaben des Flüchtlingsrats wurde K. am frühen Donnerstagmorgen um 3:30 Uhr am Unterarm operiert. Sein neu engagierter Leipziger Anwalt Robin Michalke versuche jetzt, eine Ausbildungsduldung für K. zu erwirken. Das würde bedeuten, K. wäre während der Zeit einer Ausbildung in Deutschland geduldet.

Anstatt in seine Wohnung in der Leipziger Südvorstadt könnte K. nach seinem Krankenhausaufenthalt allerdings vorerst nach Dresden kommen: in die dortige Abschiebehaftanstalt im Stadtteil Friedrichsstadt. Laut eines Aktivisten der Dresdner Abschiebehaftkontaktgruppe hatte die Anstalt seit März 2022 keine Insassen mehr.

Demos in den vergangenen Tagen in Leipzig

Am Dienstagmittag hätte Mohammad K. durch Leipziger Polizisten abgeschoben werden sollen. Er verschloss daraufhin die Tür, verletzte sich selbst und drohte mit Suizid. Die Polizei zog daraufhin Spezialkräfte mit Maschinenpistolen und Kettenhemden in der Alfred-Kästner-Straße zusammen.

Innerhalb weniger Stunden demonstrierten an beiden Enden der Straße Dutzende Menschen gegen die Abschiebung. Es kam zu stundenlangen Verkehrseinschränkungen. Am Abend fanden sich unter dem Motto „Stop Deportation. Keine Abschiebung von Mohammed“ erneut 300 Menschen auf dem Willy-Brandt-Platz ein.

Am Mittwochnachmittag wurde zu einer Demonstration vor der Ausländerbehörde in der Prager Straße aufgerufen. Parallel kamen Angehörige und Demonstrierende vor die Leipziger Uniklinik. Das Besuchsrecht für K. ist eingeschränkt.

Bereits seit sechs Jahren in Deutschland

Nach Informationen des Sächsischen Flüchtlingsrats sei Mohammad K. bereits seit sechs Jahren in Deutschland. Er sei formell staatenlos und komme aus Palästina. Nach LVZ-Informationen arbeitete er vier Jahre lang in Vollzeit in einer Bäckerei am Augustusplatz – zuletzt als Schichtleiter.

Nachdem K. 2019 keine Aufenthaltsgenehmigung mehr hatte, wurde ihm die Arbeitserlaubnis entzogen und in der Bäckerei gekündigt. „Der Betriebsleiter hat ihm daraufhin einen Ausbildungsplatz angeboten“, sagte sein Bruder Mustafa K. „Die Ausländerbehörde hat ihm diesen jedoch verweigert.“

K. ist seit 2019 ausreisepflichtig, weil sein Asylantrag abgelehnt wurde, bestätigt die Landesdirektion Sachsen gegenüber der LVZ. Betroffene Personen müssten unverzüglich abgeschoben werden. Es gebe zwar eine Frist, in der sie freiwillig ausreisen können, so Landesdirektionssprecher Jürgen Herrmann.

In einigen Fällen, wie auch bei Mohammad K., könne sich die Abschiebung auch verzögern. Mögliche Gründe könnten eine unzureichende Reisefähigkeit, fehlende Dokumente oder auch Reisebeschränkungen wegen der Corona-Pandemie sein. „Der zugrundeliegende Sachverhalt, die Ausreisepflicht aufgrund eines abgelehnten Asylantrags, bleibt durch die zeitliche Verzögerung aber unverändert bestehen“, betont Herrmann.

Polizeieinsatz erntet Kritik

Der Polizeieinsatz am Dienstag erntete Kritik. Etwa von der Leipziger Landtagsabgeordneten Juliane Nagel, Sprecherin für Asyl- und Migrationspolitik der Linksfraktion. „Der Polizeieinsatz muss kritisch ausgewertet werden. In derartigen Situationen ist nicht die Polizei am Zug, sondern psychologische und sozialarbeiterische Fachkräfte,“ teilt sie am Mittwoch mit. „Denn es geht zuerst um Menschenleben und nicht um den gewaltsamen Vollzug eines Verwaltungsaktes.“

Am Donnerstagnachmittag kündigte die Leipziger Gruppe des Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverbands eine erneute Demonstration vor der Abschiebebehörde in der Leipziger Prager Straße für Freitagvormittag an.