Abschiebung in Südvorstadt nach Protesten ausgesetzt – Spezialeinheit betritt Wohnung

Die geplante Abschiebung eines Mannes aus Jordanien hat am Dienstag Proteste und Sperrungen in der Leipziger Südvorstadt ausgelöst. Der 26-Jährige hatte sich verletzt, um der Abschiebung zu entgehen. Am Nachmittag kam er ins Krankenhaus.

Leipzig. Nach allem, was man über Mohammed Al-K. weiß, stellte er sich seine Zukunft in Leipzig vor. Mit 18 war der Mann mit palästinensischen Wurzeln aus Jordanien hierher gekommen – mit Mutter, Vater und seinem Bruder. Vor vier Jahren begann er, für einen Bäcker am Augustusplatz zu arbeiten. So erzählt es sein jüngerer Bruder Mustafa. „Mohammed ging gerne arbeiten“, sagt der 24-Jährige. „Jetzt mache ich mir große Sorgen um ihn.“

Aber Al-K. sollte abgeschoben werden. Warum, wurde bis Dienstagabend noch nicht öffentlich bekannt. Aber Al-K. muss geahnt haben, dass er Deutschland verlassen soll. Nach LVZ-Informationen war er bereits seit 2019 ausreisepflichtig. Nach einem Beschluss der sächsischen Landesdirektion sollte er am Dienstagmittag abgeschoben werden.

Im Laufe des Tages rückten nicht nur Leipziger Polizeibeamte vor seiner Wohnung in der Leipziger Südvorstadt an. Sondern auch Spezialkräfte. Doch Al-K. wehrte sich, schloss die Tür von Innen ab, verletzte sich mit einem Messer. Und er drohte, sich umzubringen, um so seiner Abschiebung zu entgehen.

Eine bizarre Situation mit einem Baseballschläger

Bald war die Alfred-Kästner-Straße mit Einsatzfahrzeugen zugestellt. Feuerwehr, Krankenwagen, einige Dutzend Polizisten. Das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ und die Linke Landtagsabgeordnete Juliane Nagel riefen auf Twitter zum Protest auf. An den Enden der Straße wurden Kundgebungen angemeldet. Außerdem wurde der Verkehr gesperrt.

Mehr als 100 Personen kamen. Es wurde skandiert, gegen Polizei und Staat, beispielsweise: „Feuer und Flamme den Abschiebungsbehörden“. Die Stimmung spitzte sich zu. Vereinzelt kam es zu Handgemengen zwischen Polizisten und Protestlern.

„Wer soll die Tränen Ihrer Familie trocknen?“

Im Hinterhof von Al-K.’s Wohnung war es derweil noch ganz ruhig. Die Feuerwehr errichtete ein Sprungkissen unter seinem Fenster. Spezialeinheiten in Kettenhemden und mit Maschinenpistolen begaben sich auf die Feuertreppe unter Al-K.’s Balkon.

Was nun folgte, war ein mehrstündiges Gespräch: Zwischen Al-K. und einem Verhandlungsteam des Landeskriminalamts. Der Verhandler bat den Mann aus Jordanien, sich draußen verarzten zu lassen. Der wiederum forderte, dass die Polizei abrückt.

Zuweilen versuchte es der Verhandler auch mit Emotionen. „Wer soll die Tränen Ihrer Familie trocknen?“, rief er in Richtung des blutverschmierten Fensters. Oder: „Wir müssen aus der Scheißsituation jetzt hier raus.“

Hin und wieder kommunizierte K. auch mit seinem Bruder Mustafa, der unten am Fenster stand. Auch dank seinem Zureden öffnete Al-K. schließlich die Tür. In der Wohnung wurde ihm ein Verband angelegt. Anschließend kam er auf einer Trage in einen Krankenwagen und in diesem ins Krankenhaus. „Du bist nicht allein“, riefen die Demonstrierenden, als der Krankenwagen abfuhr.

Die Abschiebung von Mohammed Al-K. wurde inzwischen ausgesetzt. So wird es auch bleiben, bis die verantwortliche sächsische Landesdirektion sie neu anordnet. Der Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek möchte sich in der Zwischenzeit um einen Rechtsbeistand für Al-K. bemühen, um gegen die Abschiebung Rechtsmittel einzusetzen.

Für den Abend um 20 Uhr ist auf dem Willy-Brandt-Platz eine Demonstration angemeldet: „Stop Deportation. Keine Abschiebung von Mohammed.“ Die Linke Nagel schrieb dazu: „Heute und jeden Tag solidarisch gegen Abschiebungen“ – und: „Abschiebungen sind staatliche Gewalt.“

Vor wenigen Tagen hatte Al-K. auf Facebook auf Arabisch gepostet: „Bessere Zeiten kommen – man muss nur geduldig sein.“

In einem besonders bizarren Moment hielt ein Anwohner mit seinem Auto, weil er nicht in seine Straße kam. Daraufhin öffnete er seinen Kofferraum und kramte einen Baseballschläger heraus. Die Polizei nahm ihm das Sportgerät ab, gegen den Mann wurde Anzeige erstattet.