„Wir haben dich geliebt und du hast uns verraten“

Die Aussage eines Ex-Mitglieds der mutmaßlich linksextremen Gruppe um die Leipzigerin Lina E. hat für Zündstoff in der linken Szene gesorgt – und am Freitag auch für Aufregung im Prozess in Dresden. Anlass war eine mögliche Holocaust-Relativierung.

Dresden. Der Tag im Prozess gegen Lina E. und weitere Angeklagte wegen linker Gewalt sollte am Freitag schon fast zu Ende sein, als eine Frau aus dem Publikum wütend an die Scheibe zwischen sich und dem Gericht trat. „Wir haben dich geliebt und du hast uns verraten“, rief sie dem Mann im Zeugenstand zu. „Du arbeitest mit Nazis zusammen. Du wirst einsam sterben, Johannes.“

Gemeint war Johannes D., ehemaliges Mitglied der mutmaßlich linksextremen Gruppe um die Leipzigerin Lina E. D. sagt vor Gericht aus, während alle anderen schweigen, er ist im Zeugenschutzprogramm. Der Aufruhr wegen seines als Verrat empfundenen Verhaltens ist in der linken Szene schon seit Wochen groß. Die Spannung entlud sich am Freitag an den Fragen eines Anwalts der mutmaßlichen rechtsextremen Opfer, die als Nebenkläger zugelassen sind.

Johannes D. hatte vor Gericht berichtet, dass er zusammen mit dem seit Sommer 2020 untergetauchten Linksextremisten Johann G. zur Graffiti-Gruppe „Nakam Crew“ gehört habe. „Nakam“, so hieß auch eine jüdische Organisation, die nach 1945 Rache nehmen wollte für den von den Deutschen verübten Holocaust. Als Anwalt Arndt Hohnstädter, der unter anderem „Legida“ in Leipzig juristisch vertreten und beraten hatte, zu den historischen Bezügen nachfragte, wollten einige im Saal eine Holocaust-Relativierung gehört haben.

Als der Vorsitzende Richter Hans-Schlüter Staats sagte, er habe dergleichen nicht vernommen, sprachen alle durcheinander: Verteidigerinnen und Verteidiger, die wütende Frau aus dem Publikum, Anwalt Hohnstädter selbst und auch Johannes D., der sich ohnehin unwohl zu fühlen schien in der Befragung durch den Anwalt eines Rechtsextremen. „Wenn es geht, möchte ich gerne gehen“, sagte D., der kurz darauf von seinen Personenschützern aus dem Saal begleitet wurde. Eilig beendete das Gericht schließlich den Prozesstag.

Die Gelegenheit, die Sache öffentlich nochmals zu diskutieren, gibt es nächste Woche, am Mittwoch soll der Prozess fortgesetzt werden. Die Vernehmung des Zeugen Johannes D. soll dann aber noch nicht weitergehen, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt – im August sind vorerst nur zwei weitere Verhandlungstage in dem Prozess terminiert.

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