Zum Sexualstrafverfahren gegen den Kronzeugen Johannes Domhöver
Die Begründung sexualisierte Gewalt sei keine Gewalt, da es sozial üblich sei, Personen zu „sexuellen Handlungen“ zu drängen, zeigt die Abgründe in dem Verständnis von Sexualität im deutschen Rechtssystem und dieser Gesellschaft. Es ist immer sexualisierte Gewalt, Personen zu sexuellen Handlungen zu drängen. Dass sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungen sozial üblich sind, zeigt lediglich, dass sexualisierte Gewalt ein strukturelles Problem ist. Indem Hengst sagt, dass Weinen innerhalb einer Partnerschaft als erkennbarer Widerwille nicht ausreicht, argumentiert er wie vor 1997, als in Deutschland Vergewaltigungen in der Ehe noch legal waren.
Da sich der Staat stets auf der Seite der Täter befindet und Betroffene systematisch fertig macht, müssen wir uns eigenständig um einen Umgang mit Tätern und um Unterstützung für Betroffene kümmern. Wir müssen Tätern das Sicherheitsgefühl, dass ihnen gegeben wird nehmen und Betroffenen andere Handlungsmöglichkeiten bieten, damit sie sich nicht darauf angewiesen fühlen, Täter anzuzeigen, in der Gefahr, retraumatisiert und zusätzlicher Gefahr ausgesetzt zu werden.
Alternativen sind selbstorganisierte Strukturen, welche sich im Sinne der Definitionsmacht mit der Perspektive von Betroffenen auseinandersetzen und sie unterstützen. Die Priorität darf nie auf einer Auseinandersetzung mit Tätern liegen, sondern immer zu allererst auf Schutz und Unterstützung für Betroffene.
In viel zu vielen Fällen bleibt die Unterstützungsarbeit für Betroffene an einzelnen Bezugspersonen hängen. Das zu viel Verantwortung für Einzelpersonen und kann schnell zu einer Überlastung und zu ungesunden Dynamiken führen. Lasst uns deshalb Betroffene kollektiv unterstützen und dabei auf unsere jeweiligen Kapazitäten und Grenzen Rücksicht nehmen und aufeinander aufpassen.
- Der gefährlichste Moment in einer Gewaltbeziehung ist für Betroffene der Zeitpunkt der Trennung. Es ist deshalb wichtig, Betroffenen sichere Wohnungen/ Zimmer zur Verfügung zu stellen und/ oder bei der Wohnungssuche zu helfen.
- Begleitung zu Terminen bei Anwält:innen, Verhören/ Gerichtsterminen, Ärzt:innen.
- Telefonische Erreichbarkeit in Krisen.
- Soligelder für Betroffene sammeln für z.B. Anwält:innenkosten, medizinische Versorgung, Umzug. Hierbei können wir von dem Konzept der Roten Hilfe lernen (siehe Lila Hilfe: kontrapolis.info/7382/).
- Betroffenen zuhören, ihnen auf Augenhöhe begegnen, sie bestärken und ernst nehmen.
- Gemeinsam Handlungsfähigkeiten finden.
- Bei allem sollten Unterstützer:innen ihre eigenen Kapazitäten und Grenzen respektieren.
- Unterstützungsarbeit wertschätzen und wiederum Unterstützung für Unterstützer:innen anbieten und leisten.
Unsere Gedanken zu Outings:
Um Menschen und Strukturen zu schützen, kann es eine wirkungsvolle Maßnahme sein, Täter öffentlich zu outen, wenn das notwendig ist. Allerdings finden wir, dass öffentliche Outings immer das allerletzte Mittel sein müssen. Es ist wichtig, dass auf eventuelle Rückschlüsse auf Betroffene geachtet wird, um ggf. Folgen wie Rache, nicht gewollte Sexualstrafverfahren oder zivilrechtliche Klagen zu vermeiden.
Ein Outing kommt für uns nur dann in Frage, wenn sich gewaltausübende Personen jeglichen Aufarbeitungsprozessen entziehen und fortlaufend Täterverhalten zeigen, so wie im Fall Johannes Domhöver. Ihm wurden immer wieder Angebote gemacht, sich kritisch mit seinem Verhalten auseinanderzusetzen. Er hat jedoch keine Verantwortung übernommen und stattdessen seine Taten abgestritten und sein Täterverhalten fortgesetzt.
Es macht Sinn sich zu überlegen welcher Öffentlichkeitsgrad möglich und nötig ist. Im Fall von Johannes Domhöver war es wichtig, die Informationen so weit wie möglich zu verbreiten, da er sich mit seinem Umzug nach Warschau enttgültig jeglichen Aufarbeitungsprozessen und dem Einflussbereich anderer entzog.
Es ist sehr wichtig, dass in Zukunft, die Aufgabe Täter zu stoppen, nicht mehr auf Betroffene zurückfällt. Dabei muss immer in ihrem Sinne gehandelt werden. Es ist sehr ärgerlich, dass Betroffene die Drecksarbeit übernehmen mussten, Johannes Domhöver zu outen. Sein Umfeld wusste von seinem sexualisisiert gewalttätigem Verhalten. Sie hätten schon vor Jahren vor ihm warnen und damit Menschen und Strukturen vor ihm schützen können.
So oder so, es ist sehr bezeichnend für Deutschland, dass sich Johannes Domhöver nun als Kronzeuge in einem Zeugenschutzprogramm befindet, während Betroffenen keinerlei Schutz gewährt wurde und wird. Abgesehen davon, dass er ein unglaubwürdiger Zeuge ist, verachtet der Deal alle Betroffenen seiner Gewalt. Die Betroffene im Sexualstrafverfahren wurde durch den Staat mit ihrer Angst vor einem Feminizid durch Johannes Domhöver alleine gelassen. Sie wurde weder darin ernst genommen, dass sich diese Gefahr durch das Sexualstrafverfahren noch erhöht hat, noch wurden seine Androhungen eine Person aus ihrem Umfeld „zu schlachten“ als Anlass genommen, der Betroffenen Schutz zu gewähren.
Im Gegensatz dazu wurde Johannes Domhöver noch vor dem Zeugenschutzprogramm, als Reaktion auf das 1. Outing durch Sebastian Hubertus vom LKA 52 (PMK links) ein Sicherheitsgespräch angeboten und Richter Schlüter-Staats im 129er Verfahren wollte bereits vor Monaten „den jungen Mann“ nach Dresden vorladen damit er sich zu den Outings äußern kann.
Wer auch immer eine Gefahrenlage durch die Outings begründet, macht sich lächerlich und betreibt Täter-Opfer-Umkehrung. Johannes Domhöver war keiner Gefahr durch Linke ausgesetzt. Wer sich die Outings durchliest, erkennt, dass es nicht darum ging, sich an ihm zu rächen sondern darum, die Betroffenen zu schützen, vor ihm zu warnen und ihn ein für alle mal aus der radikalen Linken auszuschließen.
Überlegt euch, auf was für einer Grundlage ihr euch mit Menschen politisch organisiert. Setzt euch damit außeinander, worum es ihnen geht, um Haltung oder nur um Gewalt und Macht. Eine gemeinsame Praxis reicht nicht aus, um politisch einen gemeinsamen Weg zu gehen. Nehmt Feminismus und sexualisierte Gewalt ernst. Emanzipative Politik ist immer feministisch.
Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich auf die Outings und später den Deal reagiert wurde: Bei den Outings gab es Mitgefühl mit den Betroffenen. Bei dem Deal wurde sofort voller Wut davon gesprochen, dass Johannes Domhöver ein „politischer Verräter“ ist. Wenn man mit dem Konzept „politischer Verrat“ arbeiten möchte, dann muss das auch konsequent passieren. Dann ist er mit seiner Gewalt gegenüber Flintas schon seit Jahren ein „politischer Verräter“. Stellt euch vor, Johannes Domhöver hätte in den vergangenen Jahren auch nur einmal bei den Bullen über andere ausgepackt- er wäre sofort überall ausgeschlossen worden, es hätte sofort Unterstützung für die von Repression Betroffenen gegeben. Da hätte es keine Diskussion gegeben. Aber dass er bekannterweise seit Jahren sexualisiert gewalttätig war, wurde einfach hingenommen. Er wurde weder ausgeschlossen noch wurden Betroffene unterstützt. Es scheint so, als ob mehrheitlich immer noch Auspacken bei Behörden als ein größerer Verrat und als schlimmere Gewalt angesehen wird, als Flintas zu vergewaltigen. Das muss sich ändern.
So sehr wir Johannes Domhöver verachten, so wichtig ist es uns, ihn oder sein Umfeld nicht als Monster zu stilisieren. Sonst machen wir es uns viel zu leicht, uns von ihnen abzugrenzen. Wenn wir nicht anfangen kollektiv sexualisierte Gewalt zu bekämpfen, wird sich das strukturelle Problem, das uns in diese Situation gebracht hat, nicht ändern. Es gibt nach wie vor viel zu viel sexualisierte Gewalt in der radikalen Linken, es gibt nach wie vor Täterschutz, es gibt nach wie vor eine Hierarchisierung von Gewalt.
- Setzt euch damit auseinander, dass wir alle mit einer patriarchalen Vorstellung von Sexualität aufgewachsen sind und fangt an diese zu dekonstruieren. Wir alle waren schon grenzüberschreitend gegenüber anderen.
- Setzt euch (egal ob ihr Cis-Mann oder Flinta seid) damit auseinander, in welchen Situationen ihr bereits sexualisiert gewalttätig ward und wie ihr das in Zukunft verhindern könnt.
- Setzt euch damit auseinander, ob und in welcher Form ihr schon einmal täterschützend ward und wie ihr das zukünftig verhindern könnt.
- Setzt euch mit Definitionsmacht und eurer Definition von Konsens und Sexualität auseinander.
- Setzt euch damit auseinander, wie gewaltvoll das binäre Geschlechtersystem ist. Setzt euch präventiv mit eurer eigenen Männlichkeit und mit queeren Alternativen dazu auseinander.
- Nehmt Angst vor Feminizid ernst, sprecht Betroffenen diese Angst nicht ab. Sie kommt nie aus dem Nichts. Überlegt euch wie ihr Betroffenen Schutz vor Gewalt und Feminizid ermöglichen könnt.
Wollt ihr keine Outings mehr? Dann hört auf sexualisiert gewalttätig zu sein. Hört auf Täterschutz zu betreiben. Übernehmt Verantwortung für euer Umfeld und euer Handeln.