Hausdurchsuchung in Leipzig: Razzia im Fall Lina E.
Im Verfahren gegen die mutmaßliche „Gruppe E.“ gibt es einen weiteren Verdächtigen – er soll der Polizei wichtige Informationen geliefert haben.
Hausdurchsuchungen ist man im Leipziger links-alternativen Viertel Connewitz mittlerweile gewohnt. Alle paar Monate stehen vor den liebevoll restaurierten Altbauten Polizisten, Sturmhauben auf dem Kopf, Waffen in der Hand. Die Razzien richten sich gegen mutmaßliche Mitglieder der gewaltbereiten linksautonomen Szene, die derzeit im Mittelpunkt eines groß angelegten Gerichtsverfahrens steht.
Die Studentin Lina E. soll Anführerin einer kriminellen Vereinigung gewesen sein, die gezielt Jagd auf Neonazis machte. E. sitzt seit Herbst 2020 in Untersuchungshaft, derzeit läuft der Prozess gegen sie und drei weitere Angeklagte vor dem Oberlandesgericht Dresden. Der mutmaßlichen „Gruppe E.“ sollen noch weitere Personen angehören, das Landeskriminalamt ermittelt weiter. Am frühen Mittwochmorgen rückten in Connewitz wieder Polizeibeamte in Vollmontur ein. Die Durchsuchungen sollen sich gegen das Umfeld von Lina E. gerichtet haben, offenbar wird gegen einen weiteren Verdächtigen ermittelt, wie die Leipziger Volkszeitung berichtet. Er war Recherchen des MDR zufolge an einem der Überfälle beteiligt.
Der Mann soll sich mittlerweile im Zeugenschutzprogramm befinden. Der Polizei lieferte er offenbar nicht nur Informationen über den Ablauf der Tat, sondern auch Details zur Struktur der mutmaßlichen „Gruppe E.“. Im Prozess waren die Indizien, die auf eine tatsächliche linkskriminelle Vereinigung schließen lassen, bisher recht dünn. Die Bundesanwaltschaft selbst musste in der Anklageschrift einräumen, das genaue Gründungsdatum der Gruppe nicht zu kennen, ebenso wenig die genaue Zahl der Unterstützer.
Zwei Betroffene sitzen mittlerweile selbst in Haft
Die Bundesanwaltschaft bestätigt nur die Durchsuchungen in zwei Objekten. Mehr sagt sie mit Hinweis aufs laufende Verfahren nicht. Auch zu Spekulationen, wonach die „Gruppe E.“ auch für den brutalen Überfall auf die Mitarbeiterin einer Immobilienfirma verantwortlich sein soll, gibt es kein Statement. Der Generalstaatsanwalt hatte das Verfahren in diesem Fall gegen Lina E. eingestellt, weil die Beweislage zu dünn gewesen soll. Mittlerweile soll es laut LVZ neue Hinweise geben.
Die Taten, die bisher der mutmaßlichen „Gruppe E.“ zugeordnet werden, richteten sich gegen mehrere bekannte Neonazis. Vermummte überfielen sie direkt vor ihrem Wohnhaus oder auf dem Nachhauseweg, schlugen mit Stöcken auf sie ein. Die Männer erlitten teilweise schwere Verletzungen. Zwei wichtige Zeugen sitzen mittlerweile selbst in Untersuchungshaft. Leon R., der in Eisenach eine Neonazi-Kneipe betrieb, soll Rädelsführer einer rechtsextremen kriminellen Vereinigung gewesen sein. Dem früheren NPD-Stadtrat Enrico B. wirft die Bundesanwaltschaft vor, eine nationalsozialistische und antisemitische Ideologie durch den Verkauf entsprechender Bücher verbreitet zu haben.
Dass nun auch Verfahren gegen R. und B. laufen, sorgt in der linken Szene für eine weitere Solidarisierung mit Lina E.. Verschiedene Bündnisse sehen die Studentin und die anderen Angeklagten als Opfer von Polizei und Justiz, fordern den Freispruch. Der Prozess zieht sich bereits seit über zehn Monaten – mit einer Entscheidung ist frühestens im Herbst zu rechnen.