Leipziger Grünen-Politiker Kasek gesteht vor Gericht: „Das war wahnsinnig bekloppt“

Es geht um Betrug, Untreue und vielfachen Titelmissbrauch: Der bekannte Grüne Jürgen Kasek soll nach Entzug seiner Zulassung weiter als Anwalt tätig gewesen sein. Aber warum? Vor Gericht brach er nun sein Schweigen.

Er litt nach eigenen Angaben unter Magenproblemen, Schlafstörungen und Verfolgungswahn: Der Leipziger Grünen-Politiker Jürgen Kasek (44) hat am Freitag im Prozess am Amtsgericht erstmals zu den massiven strafrechtlichen Vorwürfen gegen ihn Stellung genommen. Im Zusammenhang mit dem Entzug seiner Zulassung als Rechtsanwalt legt ihm die Staatsanwaltschaft mehrfachen Betrug, Untreue und Titelmissbrauch zur Last, insgesamt 42 Fälle. „Ich bin völlig überfordert gewesen“, räumte Kasek ein. „Es war wie in einem Tunnel.“

Verteidigerin Rita Belter verlas eine Erklärung ihres Mandanten. Gezeichnet wurde darin das Bild eines Mannes, der zwischen Beruf, Familie und Politik zerrieben wurde. Allein in den Jahren 2020/21 habe er über 240 neue Verfahren auf den Tisch bekommen, so der Angeklagte. Sein Arbeitspensum habe zwischen 30 und 40 Wochenstunden gelegen. Hinzu seien zahlreiche Teilnahmen an Demonstrationen gekommen. Ab 2019 hätte er für seine Tätigkeit als Stadtrat in Leipzig zusätzlich 20 bis 30 Stunden pro Woche aufbringen müssen. Und das eingedenk der Tatsache, dass er seit 2019 alleinerziehender Vater einer Tochter sei.

Zusätzlich ein Job beim Umweltbundesamt

„Ich habe die Prioritäten aus den Augen verloren in der Vorstellung, alles zu schaffen“, so Kasek. Zudem muss der finanzielle Ertrag seiner Bemühungen eher überschaubar gewesen sein. Viele seiner Mandanten hätten die Rechnungen nicht bezahlen können, erklärte er. So habe er eine ganze Reihe von Verfahren aus der linken Szene gehabt, „mit Studenten, die kein Geld haben“. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, nahm Kasek nach eigenen Angaben ab Mai 2022 zeitweise einen Job als Jurist in der Pflanzenschutzabteilung des Umweltbundesamtes an. Seine Anwaltskanzlei will er da nur noch nebenbei betrieben haben.

Zunehmend habe er gesundheitliche Schwierigkeiten bekommen, berichtete er. Äußerlich manifestierte sich das ab dem Frühjahr 2022 in einem massiven Haarausfall, wohl aufgrund einer starken Autoimmunreaktion. Beschäftigte aus der Justiz schilderten, dass sie damals von Kaseks Erscheinungsbild schockiert waren.

Doch so erschütternd das sein mag: Erklärt dies allein jene Straftaten, die Kasek vorgeworfen werden? Am 19. Juli 2022 verlor der Jurist rechtskräftig seine Anwaltszulassung. Hintergrund war ein Konflikt mit dem Rechtsanwaltsversorgungswerk. Dennoch soll er über Wochen hinweg seine Kanzlei weitergeführt und bei zahlreichen Verfahren als Scheinanwalt agiert haben.

Dazu passt, dass jener Kollege, der Kaseks Kanzlei weiterführte, in Justizkreisen als eine Art Phantom wahrgenommen wurde: selten vor Gericht und nur schwer erreichbar. „Es wurde darüber gerätselt, ob es ihn überhaupt gibt“, so eine Richterin.

Den Betrugsvorwurf weist der Angeklagte zurück

Besonders schwer wiegen Anklagepunkte, wonach Kasek anwaltliche Dienstleistungen nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgerechnet habe, obwohl er dies nach Auffassung der Anklagebehörde nicht mehr durfte. „Natürlich habe ich Fehler gemacht“, räumte er ein. Das missbräuchliche Verwenden der Berufsbezeichnung bestreite er auch nicht. Den Betrugsvorwurf, sich rechtswidrig bereichert zu haben, weise er jedoch zurück. Das Gericht will diese Frage zu einem späteren Termin aufarbeiten.

„Ich habe zunehmend die Übersicht verloren“, so Kasek. „Damals hätte ich einfach die Kanzlei zuschließen müssen, das war wahnsinnig bekloppt.“ Sein Rechtsanwaltsfachangestellter habe die Rechnungen ausgestellt, obwohl er nichts vom Verlust der Zulassung gewusst habe. „Ich habe mich blind auf ihn verlassen, nicht nachgeprüft und unterschrieben.“

Der Mitarbeiter schilderte die Modalitäten im Zeugenstand etwas anders. Demnach habe sein Chef die Abrechnungen geprüft und ihm gesagt, was abgerechnet werden muss. Vom Verlust der Anwaltszulassung habe er Ende Juli erfahren, als der Zugang für das besondere elektronische Anwaltspostfach gesperrt worden sei. Schließlich habe er sogar sein Gehalt per Mahnverfahren eintreiben müssen, so der frühere Kasek-Mitarbeiter. Noch immer sei ein dreistelliger Betrag offen.