Die 13.12. Sponti und die falsche Kritik daran – Über dämliche Gewaltkultur und linke Solidarität mit Faschisten
Die Ereignisse um die Sponti am vergangenen Montag in Leipzig und die Reaktionen auf diese hinterlassen teils nur noch Fassungslosigkeit. Einige Anmerkungen über die sich darin zeigenden ideologischen Abgründe der radikalen Linken.
Die Spontandemo
Am Abend des 13.12. zog eine Sponti auf die Eisenbahnstraße im Leipziger Osten gegen Bullen und ihre Gewalt. Der Kiez rund um die Eisenbahnstraße ist einer der sehr wenigen migrantisch geprägten Viertel in Leipzig. Es wurde Pyro gezündet, Barris angezündet und ein paar Leute begannen wahllos geparkte Autos der Nachbarschaft einzuhauen. Wieso diese Autos? Keine Ahnung. In einem im Nachhinein als Antwort verfassten Text auf eine Kritik an dieser praktizierten sinnentleerten Zerstörung erklären die Autor:innen diese zum „Riotspaß“(1) und waren so ehrlich nicht mal mehr einen Versuch der Legitimation dieser Objektwahl hinterher zu schieben, sondern schreiben dass es bei einer solchen Sponti nur um den „Selbstzweck“ ginge und affimieren diesen. Der Frage warum irgendwelche Autos von Anwohner:innen eingeklatscht werden wird dann vollkommen insurrektionalistisch verblödet gekontert mit „Das erklärt sich nämlich von selbst.“ denn die Zerstörung, bzw. „das Chaos“ begründet sich von allein. „Es ist also kein gezielter Schlag gegen die Herrschaft, sondern eine Situation in der es eben genau das Chaos der (willkürlichen) Zerstörung ist, mit dem man experimentieren will.“ Angesichts der in solchen Sätzen artikulierten Verstrahlung einiger Anarchist:innen scheinen diese einer Reflektion über die eigene Praxis, wenn sie in Hooliganismus und den sich darin zeigenden autoritären Mechanismen des gewaltaffinen Kollektivs abdriftet, immer weniger zugänglich zu sein.
Die Reaktionen
Doch wurde die Sponti nun vor allem wegen des Angriffs, in Form von Sachbeschädigung, an der DITIB-Moschee in der Hermann-Liebmann-Straße heftig kritisiert und verurteilt. Auch bei diesem Angriff zeigt sich der Unwillen einiger Spontigänger:innen über die Vermittlung und Auswirkung von militanten Aktionen nachzudenken. Die Kritik ist berechtigt, dass anscheinend kein Gedanke daran verschwendet wurde, das bei einem vermummten Mob, der zuerst wahllos Autos von dort wohnenden Menschen und anschließend eine Moschee im als migrantisch geprägten Viertel bekannten Eisi Kiez angreift, die Assoziation an einen rassistischen Mob in Sachsen wohl deutlich näher liegen kann, als dass allen Leuten klar wäre es handelt sich um einen Angriff auf türkische faschistische Strukturen. Damit nimmt man in Kauf von Rassismus Betroffene in Angst zu versetzen.
Die Kritiken an diesem Angriff die seitdem vor allem durchs Netz gehen sind zu großen Teilen allerdings ihrerseits zu tiefst problematisch, weil sie Islamismus und Faschismus relativieren, sich von Betroffenen der Gewalt des AKP-Regimes und deren faschistischen Unterstützer in Deutschland entsolidarisieren und darüber hinaus sogar im Diskurs DITIB und Grauen Wölfen den Rücken stärken.
Auf Grundlage eines postmodernen sich selbst verkehrenden Antirassismus wird von vielen die Aktion als antimuslimisch-rassistisch oder „islamophob“ verurteilt. Argumentiert wird, dass auch wenn DITIB(2) dem AKP-Regime untersteht, damit eben dennoch eine Moschee angegriffen wurde; in der Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen hingehen würden; die auch für Geflüchtete einen Schutzraum darstellt; also für viele Menschen eine wichtige soziale Einrichtung im prekären Lebensalltag im Leipziger Osten darstellt. Desweiteren würde mit einer solchen Aktion DITIB und Grauen Wölfen ein Bärendienst erwiesen werden, weil diese sich dann als Opfer inszenieren könnten.
Diese Argumentation geht damit aber eben am spezifischen Problem, das die DITIB-Moschee darstellt, komplett vorbei, dadurch relativiert sie die Bedrohung die durch türkische Faschisten und Islamisten ausgeht und hilft letztlich selbst DITIB zur Inszenierung in der Opferrolle.
Denn dass es sich um eine Institution handelt, die der türkischen Regierung untersteht, aber andererseits eine gängige Moschee sei, macht eine falsche Trennung auf, die dem Charakter dieser Einrichtung nicht entspricht. Es ist ja eben das Vorhaben der türkisch-national-islamistischen Kräfte über Glaubenseinrichtungen eine Anhängerschaft zu mobilisieren und zu radikalisieren. Die kulturelle und Sozialarbeit innerhalb von Gemeinden und Moscheen erfüllt hierbei eben eine Propaganda- und reaktionäre Vergemeinschaftungsfunktion. Darüber hinaus bedienen sich die diversen türkisch-faschistischen Verbände der Eintragung ihrer Zentren als Moscheen auch instrumentell, um leichter genehmigt werden zu können und weniger Kontrolle ausgesetzt zu sein. Dieser Inszenierung als neutrale religiöses Gebetshaus gehen diese vermeintlichen Antirassist:innen auf dem Leim, wenn sie diese nun vor Kritik in Schutz nehmen.
In den Vorwürfen wird darüber hinaus ein Bild gezeichnet, dass eine solche Einrichtung von Linken angegriffen wird, weil sie in Deutschland das Erdogan-Regime repräsentiere. Ein Angriff darauf hätte damit wenn dann nur eine symbolischen Charakter, treffe damit aber vor allem die Falschen (- Es sei damit quasi nur ein Feigenblatt für die eigentlich antimuslimisch-rassistische Intention). Doch sind solche Einrichtungen nicht nur Repräsentanten sondern selbst politische Akteure, die in ihren diversen Verbänden um kulturelle Beteiligung und Macht auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ringen und dabei das Ziel verfolgen nationalistische und islamistische Propaganda zu streuen, Leute anzuwerben und eben auch auf den Kampf gegen Kurd:Innen, Armenier:Innen, Linke und Jüdinnen:Juden einzuschwören. Und dabei sind sie leider zu oft erfolgreich, auch dank falscher antirassistischer Schützenhilfe. Darüber hinaus wird, darauf haben Oppositionelle des türksichen Regimes des öfteren hingewiesen, in Teilen aus solchen „Moscheen“ die Verfolgung von AKP-Gegnern auch außerhalb der Türkei bezweckt, Todeslisten angelegt, Leute überwacht, bedroht und angegriffen. An den Betroffenen der Einschüchterung und Verfolgung der in solchen Zentren sich organisierenden Faschisten gibt es anscheinend kein Interesse bei den sich jetzt Empörenden. Die Solidarität der letzten Jahre mit den kurdischen Genoss:innen, die der Verfolgung durch das AKP-Regime ausgesetzt sind, erscheint dabei als Hohn und leere Inszenierung als Verbündete.
Die Gefahr die von der Ülkücü-Bewegung und ihren verschiedenen Gruppierungen ausgeht und in deren Netzwerke eben die DITIB-Moscheen eine Funktion erfüllen ist real, und das man darauf hinweisen muss, angesichts der Relativierungen von bis hin zu diskursiver Unterstützung die von Linken betrieben wird, ist wirklich ein Armutszeugnis. Dass auch Menschen dort hingehen, die nicht das reaktionäre oder faschistische Weltbild teilen, genauso wie dass auch geflüchtete Menschen dort hingehen oder dass es die eben die einzige Moschee im Osten sei, macht doch die Geschichte keinen Deut besser, sondern verweist einfach nur auf das angesprochene Problem, dass eine reaktionäre Indoktrinierung eben auch bewusst über soziale Angebote etc. vorangetrieben wird. Zusätzlich entmündigt es die muslimischen Viertelbewohner:innen, indem ihnen jegliche eigene Meinungsbildung bezüglich den AKP-Agenturen in Deutschland abgesprochen wird und suggeriert sie müssten aufgrund ihres Glaubens alles mitmachen. Was diese vermeintlich antirassistischen Kritiken durchzieht, ist die Tendenz islamischen Glauben als festgeschriebenes Attribut von migrantischen Bewohner:innen des Eisikiezes zu absolutieren. Völlig ausgeklammert werden dabei etwa nicht-religiöse, kurdische, antiislamistische Menschen, die sich den von solchen islamischen Einrichtungen beschworenen Vorstellungen entgegenstellen, und deswegen Bedrohungen ausgesetzt sind.
Dass auch in Leipzig eine Bedrohung von DITIB-Gefolgschaft bzw. Grauen Wölfen ausgeht zeigt der Böllerangriff ein paar Tage später auf das linxxnet und das Conne Island. Vor das linxxnet wurden zudem zwei Schafsköpfe und ein Schreiben in dem auf die Moschee verwiesen wird, geworfen.
Den Vogel schießen die hier kritisierten Teile aus der radikalen Linken dann völlig ab, wenn sie im Anschluss an den Angriff auf das linxxnet, wie die Landtagsabgeordnete Nagel, dazu aufrufen für die eingeschlagenen Scheiben der Moschee Geld zu spenden. Gleichzeitig wird dazu aufgerufen mit DITIB in einen Dialog zu treten. Oder etwa ein Leipziger Twitteraccount, der den rappenden Linkenhasser und Faschofreund Omik K. in seiner Sicht auf die Dinge der Sponti beipflichtet. Omik K. teilte anschließend eine Drohung gegen das linxxnet auf Instagram, bevor dieses dann tatsächlich angegriffen wird. Weitere ahnungslose Antirassist:Innen verteilen mittlerweile Zettel auf der Eisenbahnstraße, auf welchen sie wiederum den Angriff als rassistisch labeln und ihre Solidarität mit den Betroffenen, also auch mit islamisch-reaktionären bis offen faschistischen Teilen, die sich unter dem Verband von DITIB-Moscheen finden, ausdrücken. Die Tage kommt man angesichts solcher Reaktionen von sich als links und emanzipatorisch Begreifenden gar nicht mehr raus sich die Hände vors Gesicht zu schlagen.
Jegliche antifaschistischen Standards werden in den Argumentationen und Forderungen komplett über Bord geworfen. Niemand würde daran denken bei deutschen faschistischen Strukturen darauf hinzuweisen dass ja nicht nur selbige deren Vereinsheime, Infrastrukturen etc. nutzen würde, ihnen den Dialog anbieten oder für beschädigtes Inventar Spenden zu sammeln. Entweder haben diese Leute wirklich keine Ahnung von den Strukturen türkischer bzw. islamischer Faschisten oder sie sind in ihrem falschen Antirassismus so verblendet, dass sie das Problem gar nicht wahrnehmen können, weil es einzig dadurch dass die Angreifer Deutsche seien und DITIB muslimisch ist, es sich um Rassismus handeln müsse.
Dem entgegen muss sich eine antifaschistische Linke solidarisch mit den Opfern des türkischen Faschismus, als auch des Islamismus positionieren!
Kein Dialog mit der AKP!
Kein Fußbreit den Faschist:innen, egal ob deutsch-rechts oder türkisch-islamisch!
(1) https://de.indymedia.org/node/163723
(2) Nochmal zur Info die DITIB (Diyanet İşleri Türk İslam Birliği, auf deutsch: Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) untersteht dem türkischen Präsidium für religiöse Angelegenheiten, welches wiederum mittlerweile direkt dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan untersteht. Die Imame in DITIB-Moscheen sind Beamte des türkischen Staates und werden dort ausgebildet bevor sie ihre Funktion in den deutschen Moscheen einnehmen. DITIB ist damit notwendig türkisch-staatstreu und eine kulturelle, religiöse, politische Vorfeldorganisation der AKP in Deutschland, die zum Ziel die weitere reaktionäre Ideologisierung von Bevölkerungsteilen in Deutschland hat. Sie leugnet offiziell den Völkermord an den Armenieren, lokale Ableger fallen immer wieder durch antisemitische, nationalistische und islamistische Betätigungen auf.