Streit um Gemeindesaal „Trailer“ in nordsächsischer AfD-Hochburg: Betreiberwechsel wegen Parteinähe?

Ein nordsächsisches Dorf steht vor einer Zerreißprobe: Soll der Gemeindesaal, der sich zum Treffpunkt der AfD entwickelte, an den Heimatverein gehen? In Mockrehna bahnt sich eine brisante Entscheidung an, bei der es um die Frage nach politischer Neutralität kommunaler Räume geht.
Audenhain. Politisch blau gefärbter Tanztempel oder geruhsames Vereinsdomizil? Im nordsächsischen Audenhain steht der Gemeindesaal vor einem möglichen Betreiberwechsel – mit politischer Brisanz.
Der Gemeinderat berät über eine Neuverpachtung an den örtlichen Heimatverein, während Kritik an der AfD-Nähe des bisherigen Pächters Sandro Oschkinat (42) laut wird. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen steht bevor.
Vom Gemeindesaal zum Partytempel
Oschkinat betreibt seit 2007 den Saal in dem 880 Einwohner zählenden Dorf, das zwischen Torgau und Eilenburg liegt. Wegen fehlenden Besucherzuspruchs hatte er 2010 mit der Umgestaltung des Saals zum Partytempel „Trailer“ begonnen. Problem: Während sich Oschkinat mehr und mehr auf Tanzveranstaltungen wie Oldie-Discos spezialisierte und den „Trailer“ entsprechend ausstaffierte, wurde das Gebäude nach Ansicht des Ortschaftsrats für Vereinsfeierlichkeiten oder auch größere Familienfeste immer unattraktiver.
Betreiberwechsel mit politischem Zündstoff
Dazu kommt, und hier liegt die Brisanz in dem Thema, dass Oschkinat den Gemeindesaal regelmäßig für politische Veranstaltungen zur Verfügung stellt, erst parteiübergreifend, dann mehr und mehr für den AfD-Kreisverband Nordsachsen. Zuletzt am 25. April, als der nordsächsische AfD-Bundestagsabgeordnete und AfD-Kreisvorsitzende René Bochmann Gäste zum Polittalk begrüßte.
Früher war Oschkinat selbst Mitglied der AfD, verließ die Partei jedoch Ende 2018, nachdem er sich erfolglos um eine Nominierung als Direktkandidat für den Bundestag beworben hatte. Trotz seines Austritts arbeitet er weiterhin mit AfD-Politikern zusammen, insbesondere im Rahmen von Bürgerdialogen, die im Gemeindesaal stattfinden.
Aber auch Mitarbeiter des rechtsextremen „Compact“-Magazins oder Anhänger von Pegida und Legida waren schon Gäste im „Trailer“, berichtet chronik.LE, ein Dokumentationsprojekt, das neonazistische, rassistische und diskriminierende Aktivitäten in Leipzig und den umliegenden Landkreisen sammelt und analysiert.
Überregionale Bekanntheit erreichte Oschkinat mit seinem „Spektrum Aufrechter Demokraten“ 2017 für seine „Merkel muss weg“-Rufe bei einer Wahlkampfveranstaltung der CDU mit Angela Merkel in Torgau. Der Protest gegen Merkel wurde gemeinsam von ihm und der AfD organisiert.
Unterstützung aus der AfD – Kritik aus der Gemeinde
Vom AfD-Kreisverband Nordsachsen bekommt er nunmehr in der Debatte um die Zukunft des Gemeindesaals auffällig Rückenwind. Befürchtet die Partei den Verlust ihrer Heimstätte? AfD-Landespolitiker wie Ferdinand Wiedeburg und Jörg Urban sowie der aus Sachsen-Anhalt kommende Oliver Kirchner haben sich für den Erhalt des „Trailers“ und somit einen Betrieb durch Oschkinat ausgesprochen. Andere AfD-Sympathisanten sprechen Oschkinat auf Facebook zu: „Sehr gute Veranstaltung, der Trailer muss blau bleiben.“ In einer Google-Rezension schreibt derweil ein Party-Gast über den „Trailer“: „AfD-Veranstaltungen im Haus? Der Laden sieht mich nie wieder! Kein Geld für Blau-Braune!“
Jene Nähe zu der Rechtsaußenpartei, die zur Bundestagswahl in der Gemeinde Mockrehna einen Zweitstimmenanteil von 54,1 Prozent (der Erststimmenanteil lag sogar bei 55,2 Prozent) einfuhr, wurde zuletzt durch Audenhains Ortschaftsrat Thomas Wejda (FWG) scharf kritisiert. Für Wejda nutze die AfD den „Trailer“ gezielt als Plattform. „Damit kann ich aber umgehen. Das ist wenigstens eine ehrliche Meinung“, kommentiert Oschkinat.
Oschkinat wehrt sich gegen politische Motive
Öffentlich geäußert hatte der Gastwirt den Verdacht bereits im Januar, wonach die drohende Kündigung politische Gründe haben könnte: „Ich habe den Eindruck, dass es nur darum ging, mich wegen einer Reihe von AfD-Veranstaltungen aus dem Saal zu drängen“, sagt er. Dabei habe er doch immer kommuniziert, dass er den Saal neben Feierlichkeiten dem gesamten Parteienspektrum zur Verfügung stelle.
Problematisch ist das allemal. Es geht um die politische Neutralität kommunaler Räume und wenn diese als Heimstätten ausschließlich für bestimmte politische Strömungen wahrgenommen werden. Wie also damit umgehen?
Politische Neutralität kommunaler Räume in Gefahr?
„Hier sind die Gemeinden in einem Dilemma. Grundsätzlich ist es formal geboten und auch wünschenswert, dass im Gemeinde- und Ortschaftsrat vertretene Parteien und Wählervereinigungen sowie eine demokratische Zivilgesellschaft kommunale Räume nutzen“, sagt eine Vertreterin des Kulturbüros Sachsen, einem gemeinnützigen Verein, der als Fachberatungsstelle für Kommunalpolitik und Bürgerinitiativen Hilfe in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Strukturen anbietet und für die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft eintritt. „Aber“, schränkt sie ein, „wir haben es bei der AfD und ihrem Umfeld mit einer Partei zu tun, die unter anderem mit diskriminierenden Positionen und den politischen Gegner bedrohenden Äußerungen in Erscheinung getreten ist.“
Das Landesamt für Verfassungsschutz hat den AfD-Landesverband 2023 als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Die Einstufung wurde vom Oberverwaltungsgericht im Januar 2025 nochmals bestätigt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat nunmehr die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Der Inlandsgeheimdienst teilte am Freitag mit, der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet.
„In dem Sinne ist es problematisch, wenn öffentliche Räume von extrem rechten Organisationen und Personengruppen genutzt werden. Schlicht weil diskriminierende und menschenfeindliche Positionen und Verhaltensweisen keinen Platz bekommen sollten in einer Gemeinde – und erst recht nicht in den eigenen kommunalen Einrichtungen“, so das Kulturbüro Sachsen.
Grundsätzlich sei es in einer Demokratie wichtig, dass politische, aber kulturelle und soziale Organisationen sich im Gemeinwesen einbringen und es Orte für Debatten und Austausch gibt. „Wenn aber Personen und Organisationen diese Räume nutzen, die als rassistisch oder extrem rechts bekannt sind, werden zwangsläufig andere diese Räume nicht mehr nutzen wollen“, gibt die Kulturbüro-Sprecherin zu bedenken.
Offene Fragen zur Sanierung und Nutzung
Für Frank Schmidtke (FWG), Ortsvorsteher und Vorstand im Heimatverein, spielt dagegen vornehmlich der schlechte Zustand des Gemeindesaals eine Rolle. „Wir sind längst an einem Punkt angelangt, an dem es mit kleinen Schönheitsreparaturen nicht mehr getan ist“, sagt Schmidtke. Die bisherige Verpachtung an Sandro Oschkinat, der nur eine geringe Pachthöhe zahlt, könne daher keine tragfähige Lösung sein. Schmidtke relativiert damit die Vermutung Thomas Wejdas. „Es geht nicht darum, einer Partei das Wasser abzugraben, zumal die AfD demokratisch legitimiert ist. Hier geht es lediglich um den Werterhalt des Saals.“
Heimatverein als neue Perspektive?
Zu Beginn des Jahres sprach sich der gesamte Audenhainer Ortschaftsrat einstimmig dafür aus, dem Heimatverein die Nutzung des Saals zu ermöglichen. Der Verein plant, das Gebäude für verschiedene Feierlichkeiten herzurichten. Als erste Maßnahme soll eine defekte Heiztherme repariert werden. Auch die Einrichtung funktionierender Sanitäranlagen wird als essenziell erachtet. Allerdings äußert Oschkinat Zweifel, ob der Verein die finanziellen Mittel für all diese Vorhaben aufbringen kann.
Erschwerend kämen baurechtliche Einschränkungen hinzu. Der Gastwirt kündigt an, auch über eine Kündigung der Saalnutzung hinaus Pächter eines angrenzenden privaten Gastwirtschaftsraums sowie einer dazugehörigen Toilettenanlage zu bleiben, die dann vom Verein nicht genutzt werden könnte.
Die Gemeinde Mockrehna schätzt den kompletten Sanierungsaufwand für den Audenhainer Gemeindesaal auf reichlich eine halbe Million Euro. Beim Heimatverein glaubt man, mit etwa 150.000 Euro erst einmal das Notwendigste in den Griff zu bekommen.
Entscheidung im Gemeinderat wohl im Juni
Mockrehnas Gemeinderäte werden aller Voraussicht nach am 6. Mai – zunächst im nichtöffentlichen Teil der Sitzung – über eine mögliche Neuverpachtung an den Audenhainer Heimatverein beraten. Im Juni schließlich soll eine Entscheidung herbeigeführt werden. Diese könnte für den bisherigen Pächter Sandro Oschkinat das Aus zum Ende des Jahres bedeuten.