Mord an Jessica S. in Leipzig-Paunsdorf: Angeklagter spricht über Beziehung

45 Fragen richtete das Landgericht schriftlich an den mutmaßlichen Mörder der zweifachen Mutter Jessica S. in Leipzig. Am Mittwoch beantwortete der Angeklagte den Fragenkatalog weitgehend. Demnach wollte er sich kurz nach dem Verbrechen zu Tode stürzen.

Eigentlich wollte der mutmaßliche Mörder nur hinter verschlossenen Türen Antworten geben: Im Prozess um den gewaltsamen Tod der zweifachen Mutter Jessica S. (30) in Leipzig-Paunsdorf im Frühjahr 2024 beantragten die Verteidiger am Mittwoch den Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei hatte der Angeklagte Marcus K. (41) mit seiner Erklärung vor zwei Wochen für zusätzlichen Aufklärungsbedarf gesorgt.

Im Gegensatz zur Anklage der Staatsanwaltschaft stellte er die Bluttat an seiner Lebensgefährtin als eine Art Notwehr-Unfall dar. Nachfragen ließen seine Anwälte nur zu, wenn diese vorab schriftlich gestellt wurden. Die 16. Strafkammer schickte daraufhin einen Katalog mit 45 Punkten und entschied: In diesem Fall überwiege das Interesse der Öffentlichkeit – auch weil es um die Ermittlung des Mordmotivs gehe.

Mangelnde Liebe und Alltagsknatsch

Staatsanwältin Vanessa Fink hatte Marcus K. vorgeworfen, zwischen dem 20. Mai, 21.51 Uhr, und dem 21. Mai, 6.42 Uhr, seine langjährige Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung in der Heiterblickallee getötet zu haben. Er habe die bereits vor einiger Zeit ausgesprochene Trennung und ihren Wunsch nach einem neuen und selbstbestimmten Leben nicht akzeptiert. Neben Heimtücke geht die Anklagebehörde damit auch vom Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe aus.

So, wie es Marcus K. nun schilderte, führten sie eine halbwegs normale Beziehung, die nach acht Jahren an mangelnder Liebe und Alltagsknatsch zerbrach. „Es gab kein Machtgefälle bei uns, keine Gewalttätigkeiten“, sagte er. Streitereien habe es um unterschiedliche Arbeitszeiten und die Betreuung der Kinder gegeben. Jessica S. brachte eine zehnjährige Tochter mit, der gemeinsame Sohn ist fünf Jahre alt. Er habe ihre Schönheitsoperation größtenteils bezahlt und eine kurzzeitige Affäre verziehen.

Doch eines Tages habe Jessica S. ihm eröffnet, sie liebe ihn nicht mehr wie früher und wolle sich trennen. „Ich war niedergeschlagen und fertig“, so der Angeklagte. Gleichwohl hätten sie weiter ohne räumliche Trennung zusammen gewohnt. Als sie eine eigene Wohnung in Aussicht hatte, wohin sie mit Kindern und Katze ziehen wollte, habe er ihr beim Abholen von gebrauchten Möbeln geholfen. „Ich wusste nicht, dass sie schon einen neuen Mann kennengelernt hatte“, berichtete er vor Gericht.

Streit am Vorabend der Bluttat

An jenem Abend zum Ende des Pfingstwochenendes 2024 hätten sie wieder einmal gestritten. Unter anderem, weil Jessica S. während seiner Abwesenheit mit einem fremden Mann und dessen Kindern beim Minigolf gewesen sei. „Ich warf ihr vor, dass das unangemessen ist“, so Marcus K., danach habe sie sich zum Schlafen auf die Couch im Wohnzimmer gelegt, was sie vorher noch nie getan hätte.

Im Schlaf soll der Angeklagte die Frau ermordet haben, ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft. Mit einer mindestens sieben Zentimeter langen Messerklinge habe er sie in die rechte Halsseite gestochen, wodurch Halsschlagader und eine Vene getroffen wurden. Marcus K. bestritt dies. Im Prozess behauptete er stattdessen, Jessica S. habe ein Obstmesser auf ihn gerichtet. Die Klinge sei wohl versehentlich in ihren Hals geraten, als er versucht habe, ihr das Messer zu entreißen.

„Ich habe überlegt, vom Balkon zu springen“

Bevor er mit den Kindern den Tatort verließ, habe er für sie einen Rucksack gepackt: Familienbilder, eine Bargeldreserve von 3000 Euro, Jessicas Portemonnaie, das Lieblingstuch seines Sohnes und einen Zettel an ihn: „Mein lieber Sohn, Dein Papa liebt Dich über alles. Mir tun meine Fehler leid.“ Dann sei er mit ihnen zu seiner Mutter gefahren. Ihr habe er offenbart: „Bei uns ist etwas ganz Schlimmes passiert.“

Bei ihr auf dem Balkon will er auch an seinen eigenen Tod gedacht haben. „Ich habe überlegt, runterzuspringen“, sagte er. „Das war die siebente Etage, es hätte ausgereicht.“ Seine Mutter habe ihn jedoch zurückgehalten.

Ob das alles tatsächlich so war, blieb zunächst unklar. Gabriele K. (61) machte im Prozess gegen ihren Sohn von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Sie widersprach auch der Verwertung ihrer Aussagen im Ermittlungsverfahren bei der Polizei.

Für die Hauptverhandlung sind noch Termine bis Ende Mai geplant.

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