Gedanken nach dem Anschlag auf die VerDi Kundgebung in München

Ich äußere mich hier nur für mich, nicht weil ich Texte von Einzelpersonen für besonders relevant halte, sondern weil ich in den vergangenen Jahren allzu häufig versucht habe über dieses Thema in den Strukturen in denen ich organisiert bin und war zu sprechen und ich realisiert habe, dass es in diesen Strukturen wahrscheinlich niemals möglich sein wird eine gemeinsame Position zum Klerikalfaschismus zu entwickeln.

Ich sitze hier vor dem Computer und frage mich, warum sitze ich eigentlich hier? Hätte ein „deutscher“ Faschist die Gewerkschaftsdemo in München angegriffen wäre ich jetzt vermutlich auf einer Antifa-Demo. Schon den ganzen Tag über hätte ich Nachrichten auf meinem Handy erhalten und auf Indymedia gäbe es wahrscheinlich mehrere Beiträge. Doch nichts als Schweigen und vereinzelt die stets gleichen hohlen Phrasen.

Dabei sind hier doch Mechanismen zu Gange die jede/n Linke*n auf die Straße treiben sollten, Patriarchat, Religiöser Fanatismus, Abwertung von Anderen aufgrund von Hautfarbe, Ethnizität, Geschlecht oder Glauben, ein Angriff auf Menschen welche für sich und ihre Lebensbedingungen im positiven Sinne kämpfen…

Doch in der heutigen Linken hat man all das Aufgegeben zugunsten einer Identitätspolitik, in der nichtmehr zählt was Menschen machen oder was Sie denken, sondern was Sie sind, so erklärt sich die Nichtreaktion auf die an Frequenz zunehmenden faschistischen Attentate, Sie werden ja nicht von „Deutschen“ ausgeführt, als ob das irgendetwas an Ideologie und Auswirkung der Attentate ändern würde.

Aus meiner Sicht ist die westliche Linke, sowohl die parlamentarische als auch außerparlamentarische, vollständig gescheitert. Sie hat weder eine Vision, erst recht keine Analyse der Welt im Jahre 2025 und kaum eine sinnvolle Praxis. Es fällt inzwischen sogar ganz schwer von „Politik“ im eigentlichen Sinne zu sprechen, meinen die Meisten welche sich noch als „Linke“ verstehen damit doch meist Moral und nicht Politik.

Um einen Neuanfang zu wagen, ja überhaupt zu denken. Ist es daher zwingend notwendig diesen Teil der Linken, welcher zugegebenermaßen ein Großteil ist, hinter sich zu lassen. Identitätslinke, „Globalize-the-Intifada“-Jünger und Ähnliche haben nicht nur die Rechten an Einfältigkeit und reaktionärem Gehalt inzwischen teils überholt, Sie haben sich vor allem sich selbst auf ein abschüssiges Abstellgleis der Geschichte begeben.

Notwendig zur Wiederbelebung einer echten Linken ist aber auch eine andere Diskussionskultur, welche sich nicht lediglich auf maximalistische Buzzwords beschränkt. Rassist, ein Wort das an mir inzwischen abperlt wie das Fett an der Teflonpfanne, ist häufig das Einzige was meinen Gesprächspartner*Innen zu meinen Argumenten einfällt.

Wirklich rassistisch finde ich jedoch Migranten nicht als selbst denkende und handelnde Subjekte wahrzunehmen, sondern stets mit Entschuldigungen und Ausflüchten zu kommen, wenn sich Migranten frauenfeindlich oder rassistisch äußern bzw. handeln. Ja das deutsche Asylsystem ist Menschenverachtend, aber man kann dagegen ankämpfen ohne sich klerikalfaschistisch zu radikalisieren und nach unten zu treten. Solche Ausflüchte haben für mich starke Parallelen zur Neonazigewalt der 90er Jahre, wo es ja diverse Leute gab welche die Gewalt mit äußeren Umständen der armen, arbeitslos und abgehängten Jugendlichen zu erklären versuchten und nicht in deren menschenverachtender Ideologie.

So lässt die westliche Linke unter dem dröhnenden Schweigen der Identitätslinken auch die am meisten vom Klerikalfaschismus betroffenen, nämlich Migranten und v.A. migrantische Frauen regelmäßig hängen.

Ein wesentlicher Suchraum für einen ideologischen Neuanfang der hiesigen Linken ist für mich der demokratische Konföderalismus. Sicherlich muss diese Ideologie an die Bedingungen und Umstände hier angepasst werden, doch gehen die Gedanken von Dezentralität, Geschlechtergleichheit, Selbstverwaltung und Kampf gegen jeden Faschismus in die richtige Richtung.

Im Rahmen meiner persönlichen Suche in dieser Hinsicht war ich auch auf einigen Demonstrationen kurdischer Gruppen in den letzten Jahren. Auffällig daran ist, dass fast keine dieser Demonstrationen ohne Provokationen seitens türkischer Faschisten und Islamisten zu Ende ging. Gerade erst vor 3 Wochen wurde bei einer solchen Demo in Kiel ein Teilnehmer von einem Islamisten niedergestochen. Auch hier wieder kaum Aufmerksamkeit, geschweige denn Unterstützung durch die hiesige Linke.

Nunja, ich beginne mich zu wiederholen, gedanklich noch bei den Gewerkschafter*Innen überkommt mich auch ein Gefühl der politischen Heimatlosigkeit. Vielleicht ist dieser melancholische Beitrag ja ein Ruck für Andere Heimatlose sich zu äußern, und vielleicht finden wir Heimatlosen ja eines Tages zusammen um eine politische Bewegung jenseits identitärer Politik aufzubauen.