Neues Asylheim in Leipzig-Thekla ist einzugsbereit – so werden 120 Flüchtlinge dort wohnen

Am Samstag öffnete die Gemeinschaftsunterkunft in der Tauchaer Straße für Menschen aus der Nachbarschaft ihre Türen. Was die Besucher erwartete, was sie bewegte und vor welchen Aufgaben die Stadt in der Asylpolitik steht.

Es sieht alles noch ein bisschen trist aus, was nicht allein am grauen Herbstwetter an diesem Samstag liegt. Ein dunkler Metallgitterzaun, dahinter zwei neu gebaute Wohnhäuser, deren Fassaden schlicht weißgetüncht sind, der Hof gepflastert, darauf kein Baum, kein Strauch. In ein paar Wochen wird sich das Bild schon etwas verändern. Dann werden an der Tauchaer Straße 100 in Thekla bis zu 120 Menschen aus ganz verschiedenen Teilen der Welt leben.

Am Samstag öffnete die Stadt schon mal die Türen der neuen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Sie lud die Anwohner ein, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, mit Verantwortlichen zu sprechen und sich ein Bild davon zu machen, wie die Asylbewerber hier leben werden.

Wohnanlage für Flüchtlingsfamilien

Etwas, was die Menschen im ländlichen geprägten Umfeld der neuen Unterkunft schon länger bewegt, ist die Frage, wer die künftigen Bewohner sind. Im Sommer gab es eine Demonstration gegen das Asylheim, auch einen Brandanschlag, der allerdings glimpflich ausging. Auch am Samstag hört Martina Kador-Probst immer wieder die Sorge vor jungen alleinstehenden Männern. „Es werden hier vorrangig Familien einziehen“, versucht die Sozialamtsleiterin in vielen Gesprächen die Befürchtungen zu zerstreuen. Derzeit seien insbesondere Familien aus Syrien, Venezuela, Afghanistan, dem Iran und Irak unterzubringen.

In den beiden Gebäuden befinden sich 29 Wohneinheiten, die jeweils mit Küche und Bad ausgestattet sind. Ursprünglich waren sie mal als Seniorenwohnungen konzipiert. Weil der Eigentümer aber keinen Betreiber für die Anlage finden konnte, griff die Stadt, die händeringend Flüchtlingsunterkünfte sucht, zu. Die reinen Mietkosten belaufen sich auf 390.000 Euro pro Jahr.

Apartments mit schlichter Grundausstattung

Die Einrichtung in den Apartments ist schlicht und besteht aus allem, „was lange hält und sich einfach sauber machen lässt“, beschreibt Kador-Probst die Grundausstattung. Weiße Wände, vier bis fünf Metallbetten, Metallspinde, Tisch, Plastikstühle, Küchenzeile mit Spülbecken, Herd, Kühlschrank und Wäscheständer. Das geflieste Bad verfügt über eine ebenerdige Dusche, Waschbecken, WC und eine Waschmaschine.

Angelika Kleinsteuber ist überzeugt, dass die künftigen Bewohner sich aber einiges mitbringen werden und es dann auch wohnlicher aussehen dürfte. „Sie leben ja meist schon länger in größeren Unterkünften“, sagt die 77-Jährige, die das Grundstück an der Tauchaer Straße noch aus ihren Kindheitstagen kennt. „Damals war hier ein Blumenladen“, erinnert sie sich. Zusammen mit Isolde Jähn (71), die in einem nahegelegenen Wohnblock lebt, hat sie die Einladung zum Tag der offenen Tür gerne angenommen.

Kleinsteuber arbeitete früher als Lehrerin und unterrichtete Migranten in Deutsch, das würde sie gerne auch heute noch. „Ich will nicht zuschauen, wie die Leute nur verwahrt werden“, sagt sie, „ich will etwas Gutes tun, meinen Geist fit halten und neue Freundschaften schließen.“

Die Sprache sei ein Schlüssel zur Integration. Oft gibt es aber gar nicht für alle Plätze im Deutschunterricht. Engagierte Senioren wie Angelika Kleinsteuber könnten in solche Lücken springen und so zugleich ihre schmale Rente etwas aufbessern. Doch so einfach ginge das wohl nicht. „Ich müsste mich mit 77 noch selbstständig machen“, erzählt sie. Abrechnungen, Steuern. Ein großer Aufwand für vielleicht 15 Euro die Stunde.

DRK legt Wert auf gute Nachbarschaft

Betrieben wird die neue Gemeinschaftsunterkunft vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). „Wir haben die Einrichtung schon übernommen“, berichtet Olaf Hagenauer, Vorstand des DRK Leipzig. Ihm ist ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis wichtig. Die Anwohner würden deshalb jederzeit einen Ansprechpartner vor Ort finden. „Wir haben heute an alle Kärtchen mit der Telefonnummer verteilt“, sagt er. Das Objekt werde rund um die Uhr durch die Leipziger Sicherheitsfirma Black Knight überwacht. Es wird einen Einrichtungsleiter, einen Hausmeister und zwei Sozialbetreuer geben.

Die Gespräche beim Tag der offenen Tür empfand er als sehr positiv. Da kommt ihm durchaus zugute, dass das DRK einen guten Namen hat – „und für diese Werte stehen wir auch hier“, bekräftigt Hagenauer. Das DRK hat lange Erfahrung bei der Betreuung von Flüchtlingen. Die neue Gemeinschaftsunterkunft ist die neunte Einrichtung, die der Wohlfahrtsverband in Leipzig betreibt.

Er rechnet damit, dass die ersten Bewohner ab 2. Dezember einziehen werden. „Es wird dann sicher sehr schnell gehen.“ Allein in diesem Jahr hat Leipzig 1500 Flüchtlinge neu aufgenommen. Nach Aussagen der Bundesregierung seien die Zahlen deutschlandweit durch eine restriktivere Asylpolitik zwar zurückgegangen, Bis das in den Kommunen ankommt, weiß Sozialamtsleiterin Kador-Probst, vergeht aber noch Zeit.

Stadt braucht elf Millionen Euro mehr für minderjährige Flüchtlinge

Die Stadt stellt das vor zwei Herausforderungen: Sie muss Unterkünfte finden, was auf dem engen Wohnungsmarkt immer schwieriger wird, und dann sind da noch die Kosten. Allein für die Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen haben sich in diesem Jahr die Ausgaben vervierfacht. Die Zahl dieser Kinder und Jugendlichen verdoppelte sich gegenüber 2021 auf inzwischen 188 Personen. Die für sie in diesem Jahr veranschlagten 3,2 Millionen Euro reichen nicht mehr. Der Stadtrat soll deshalb das Budget um elf Millionen Euro aufstocken.