Hitlergruß und Drogen – Schlagersängerin Melanie Müller weist Vorwürfe vor Gericht in Leipzig zurück

Schlagersängerin Melanie Müller hat die Vorwürfe, sie habe bei einem Konzert mehrfach den Hitlergruß gezeigt, vor Gericht erneut zurückgewiesen. Bei der Handbewegung habe es sich um eine anheizende Geste für das Publikum gehandelt. Das sagte Müllers Rechtsanwalt Adrian Stahl zum Auftakt des Prozesses vor dem Amtsgericht Leipzig am Dienstag. Seine Mandantin habe keine rechte Gesinnung und sei unpolitisch. Zudem habe sie das Konzert später abgebrochen.

Die Vorwürfe gegen Müller

Die Anklagebehörde wirft der 36-Jährigen das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen auf einem Konzert im September 2022 vor. „Dabei rief die Angeklagte Ost-, Ost-, Ostdeutschland und hob die Hand mehrfach zum Hitlergruß“, sagte Staatsanwalt Thomas Schmelzer vor Gericht.

Anwalt: Drogen gehörten einer Freundin

Zudem muss sich die ehemalige RTL-Dschungelkönigin, die vor allem von Auftritten am Ballermann auf Mallorca bekannt ist, wegen Drogenbesitzes verantworten. Bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung in Leipzig waren 0,69 Gramm Kokaingemisch und eine Ecstasy-Tablette gefunden worden.

Diese Drogen gehörten nicht seiner Mandantin, sondern einer Freundin, die sie kurz zuvor besucht hatte, erklärte der Verteidiger weiter. Diese habe die Handtasche zurückgelassen. Müller habe nichts von den Drogen darin gewusst. Müller selbst wollte sich nicht äußern.

Auftritt auf Mallorca – trotz Krankschreibung

Der Prozessauftakt war zuvor zweimal kurzfristig verschoben worden, nachdem die Sängerin jeweils ein ärztliches Attest vorgelegt hatte. Das Gericht hat für den 13. August einen Fortsetzungstermin angesetzt. Bereits zwei Mal hatte sich die ehemalige Dschungelkönigin wegen Krankheit entschuldigt, soll aber trotzdem als Schlagersängerin am Ballermann auf Mallorca aufgetreten sein. Müller hatte dem Sender RTL daraufhin gesagt, ihr Arzt habe von Flugreisen abgeraten.

Melanie Müller wurde im sächsischen Oschatz geboren.

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LTO Roman Fiedler 30.07.2024

Hit­ler­gruß als Warm-Up?

Schlagersängerin Melanie Müller soll auf der Bühne mehrfach den Hitlergruß gezeigt haben. Die Angeklagte weist jede Nähe zu Rechtsradikalen von sich. Sie will mit der Geste nur das Publikum angeheizt haben. Roman Fiedler war beim Prozessauftakt.

SA-Parolen, rassistische Gesänge auf Sylt und Hitlergrüße auf Konzerten? Die Enttabuisierung von NS-Symbolik in Deutschland schreitet voran. Seit heute hat sich die ehemalige „Dschungelkönigin“ Melanie Müller vor dem Amtsgericht Leipzig (Az. 226 Ds 608 Js 50876/22) wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Strafgesetzbuch (StGB) in Tateinheit mit Beihilfe zum Verwenden solcher Kennzeichen zu verantworten.

Sie soll beim Oktoberfest des Leipziger Motorradclubs „Rowdys Eastside“ im September 2022 von der Bühne aus mehrfach den Hitlergruß gezeigt haben. Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Der Verteidiger Rechtsanwalt Adrian Stahl sprach von einer „neutralen“ Geste und betonte, seine Mandantin habe keine rechte Gesinnung, sondern sei unpolitisch. Dabei ist ihre Verbindung in das rechtsextreme Milieu nicht zum ersten Mal Thema.

Lange erwarteter Prozessbeginn

Der Saal 100 im Leipziger Amtsgericht ist am Dienstagmorgen kaum zur Hälfte gefüllt – das liegt vielleicht auch daran, dass der ursprünglich für Mitte Juni angesetzte Prozess gleich zwei Mal verschoben wurde. Beide Male ließ die Angeklagte sich wegen Krankheit beim Gericht entschuldigen. Medial für Verwunderung sorgte der Umstand, dass die Schlagersängerin und Wahl-Mallorquinerin zwischen den geplatzten Verhandlungsterminen mehrere Konzerte am Ballermann spielte. Die Angeklagte verwies darauf, dass ihr Arzt ihr von Flugreisen abgeraten habe. Drücken wolle sie sich nicht.

In ein pinkes Kostüm gekleidet, betritt sie mit ihrem Verteidiger den Gerichtssaal. Die Kameras ist sie gewohnt, das merkt man. Dennoch sieht sie heute angespannt aus. Die Angeklagte wird so gut wie kein Wort sagen. Auch Richter Lucas Findeisen spricht nur das Nötigste. Wer vor allem reden wird, ist Müllers Anwalt.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten vor, auf dem öffentlich zugänglichen Konzert bei den „Rowdys“ im September 2022 vor etwa 50 Personen mehrfach den Hitlergruß von der Bühne in Richtung des Publikums gezeigt zu haben. Nachdem mehrere Personen mindestens fünf Mal „Sieg Heil“ brüllten und den Hitlergruß zeigten, soll die im sächsischen Oschatz geborene Angeklagte die Parole „Ost, Ost, Ostdeutschland!“ angestimmt haben und im Takt dazu den rechten Arm mehrfach in die Luft gestreckt haben.

Auf den aus dem Publikum gefertigten Videoaufnahmen, die im Prozess gezeigt werden, ist außerdem zu sehen, wie ein Konzertbesucher „Sieg Heil“ ruft und den Hitlergruß zeigt – Melanie Müller kann sich ein Lachen nicht verkneifen und feuert das Publikum mit den Worten „Zicke Zacke Zicke Zacke“ an – die darauffolgenden Worte „Hoi Hoi Hoi“ klingen bei einigen Konzertbesuchern aber wie „Heil Heil Heil“. Auch hier strecken die Angeklagte und einzelne Personen in der Menge den rechten Arm in die Luft.

Neutrale Geste ohne politische Aussagekraft?

Auf die Aussageverweigerung von Frau Müller folgt eine ausführliche Einlassung ihres Verteidigers Stahl. Er ist der einzige, der heute mehr als ein paar kurze Sätze sagen wird. Zunächst betont er, das Heben des rechten Arms, um das es in diesem Prozess gehe, sei an sich eine wertneutrale Geste. Der Kontext sei entscheidend. Seine Mandantin bezeichnet er als unpolitisch – sie habe „zahlreiche homosexuelle und nicht-deutsche Freunde“. Auch führt er aus, der Vorfall habe immense Konsequenzen für Müller gehabt. So würde sie seitdem nicht mehr für Konzerte in Deutschland, Österreich oder der Schweiz gebucht.

Die fragliche Armbewegung – die Rechtsanwalt Stahl selbst während seiner Ausführungen einige Male im Gerichtssaal demonstriert – sei kein Hitlergruß gewesen. Insbesondere sei der Arm seiner Mandantin nicht wie üblicherweise auf Augenhöhe ausgestreckt gewesen, sondern weit höher. Auch gehe die Bewegung nicht einher mit einer entsprechenden Bekenntnisformel wie etwa „Heil Hitler“. Die Geste habe also keine politische Aussagekraft und sei auch in vielen anderen Videos von Auftritten seiner Mandantin zu sehen, die, wie der Verteidiger betont, nicht zu einer Anklage geführt hätten.

Dass seine Mandantin die „Sieg Heil“-Rufe aus dem Publikum vernommen haben soll, bezweifelt er. Die Geräuschkulisse während des Konzerts sei derart laut gewesen, dass die Darstellung, Müller habe die Parolen gehört, vielmehr eine Vermutung seitens der Staatsanwaltschaft sei. In Bezug auf den Hitlergruß spricht Rechtsanwalt Stahl meistens vom „deutschen Gruß“ – eine Bezeichnung die vor allem zu Zeiten des Nationalsozialismus gebräuchlich war.

Laut Stahl habe die Sängerin die Rufe zuerst nicht wahrgenommen, später ihre Kopfhörer abgelegt und versucht das Publikum zu beruhigen. Schließlich habe sie, da sie mit den Parolen nicht einverstanden gewesen sei, das Konzert abgebrochen.

Schlagermusik und Sprachnachrichten im Gericht

Nachdem der Verteidiger im Anschluss an die Einlassung Rückfragen an seine Mandantin nicht zulässt, folgt die Beweisaufnahme. Es werden verschiedene Videoaufnahmen von Konzerten von Müller abgespielt. Die Angeklagte scheint sichtlich genervt von der schrillen Wiedergabe ihrer Musik.

Einige vorgeführte Konzertaufnahmen zeigen Müller bei anderen Auftritten wie sie das Publikums anheizt. Manchmal mit, manchmal ohne gestreckten rechten Arm. Außerdem werden Sprachnachrichten abgespielt, in denen Müller im Nachgang des Konzerts in Leipzig davon erzählt, wie sie das Konzert habe abbrechen müssen. Als der Richter daraufhin nachfragt, ob die Angeklagte im Besitz eines Videos ist, das den Konzertabbruch dokumentiert, verneint der Verteidiger dies. Man habe ein entsprechendes Video angefragt, bisher aber nicht erhalten. Ob es solche überhaupt gibt, bleibt fragwürdig.

Daraufhin meldet sich noch kurz Staatsanwalt Schmelzer zu Wort und erklärt, er gestehe der Angeklagten gerne zu, dass der Konzertauftritt unangenehm für sie gewesen sei. Auch wolle er ihr nicht unterstellen, sie sei rechtsextrem. Vor dieser speziellen Klientel, die sich vor allem auch aus Hooligans zusammensetze, könne die Armbewegung zum Anheizen des Publikums aber nun mal möglicherweise ein Hitlergruß sein. Dieser setze auch entgegen der Ansicht des Verteidigers kein konkretes Bekenntnis voraus.

Als der Richter verkündet, dass das Gericht die Ladung einer beim Konzert anwesenden Freundin der Angeklagten als Zeugin für einen Nachfolgetermin für nötig erachte und die Verhandlung schließt, sieht die Angeklagte zum ersten Mal erleichtert aus und lässt sich auf ihrem Stuhl zurückfallen.

Melanie Müller und das rechtsextreme Milieu

Besonders überzeugend erscheinen die Ausführungen zur Überraschung Müllers über die Gesten und Parolen des Publikums nicht. Das besagte Konzert fand im Leipziger Motorradclub „Rowdys Eastside“ statt. Das Gelände, auf dem sich etwa noch ein Kampfsportclub befindet, gilt als rechtsextremer Treffpunkt. Regelmäßig finden hier Rechtsrockkonzerte statt. Das Areal ist zu aller bitteren Ironie ein ehemaliges Außenlager des KZ-Buchenwald. Seit 2007 befindet es sich in Privatbesitz.

Auch ist Müller bereits zuvor durch Kontakte in das rechtsextreme Milieu aufgefallen. So zeigte sie sich 2022 in Leipzig bei einem Boxkampf-Event, dessen Veranstalter Verbindungen in die rechtsextreme Hooliganszene haben sollen. Zahlreiche Kämpfende präsentierten sich mit Tätowierungen, die nationalsozialistische Symbole zeigten. Auch in diesem Zusammenhang distanzierte Müller sich jedoch von rechtsextremem Gedankengut. Ob derartige pauschale Distanzierungen vor Strafe schützen können, wird der kommende Prozesstag zeigen. Am 13. August geht es weiter.

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LVZ Frank Döring 30.07.2024

Melanie Müller und der Leipziger Hitlergruß-Prozess: Heil oder Hoi?

Hat Sängerin Melanie Müller bei einem Auftritt in Leipzig den Hitlergruß gezeigt? Zum Prozessauftakt am Dienstag weist ihr Verteidiger die Anklagevorwürfe zurück. Doch war alles wirklich so harmlos?

Ihr Gesicht gleicht einer starren Maske, die keinerlei Gefühlsregung offenbart: Als Partysängerin Melanie Müller (36) an diesem Dienstagmorgen den Saal 100 des Amtsgerichts Leipzig betritt, fällt an ihr ein pinkfarbenes Kostüm, eine lange Perlenkette und eine völlig ausdruckslose Mimik auf. Nach zwei geplatzten Gerichtsterminen, denen sie aus gesundheitlichen Gründen fernblieb, ist die frühere RTL-Dschungelkönigin aus Mallorca angereist, um sich dem viel beachteten Verfahren zu stellen. Für das Gericht in der Bernhard-Göring-Straße ist es wahrscheinlich der Prozess des Jahres. Es gibt Sicherheitsvorkehrungen wie bei einem Mordprozess gegen Rockergangs.

Gegen das aus Oschatz stammende Reality-TV-Sternchen liegen zwei Anklagen der Staatsanwaltschaft vom 24. April und vom 16. November 2023 vor. Ihr wird das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie der Besitz von Betäubungsmitteln zur Last gelegt. Staatsanwalt Thomas Schmelzer wirft ihr zu Beginn der Hauptverhandlung vor, in der Nacht zum 18. September 2022 bei einem Auftritt zum Oktoberfest der Leipziger Rocker-Gruppierung „Rowdys Eastside“ mindestens dreimal auf der Bühne den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben zu haben.

Nach Vorwürfen: Auftritte von Melanie Müller abgesagt

Die Angeklagte sagt dazu nichts, überlässt das Reden ihrem Verteidiger Adrian Stahl. Der Rechtsanwalt aus Berlin bezeichnete das inkriminierte Armheben als „wertneutral“. Er referiert über die korrekte Ausführung des „Deutschen Grußes“, wonach der Arm mit flacher Hand auf Augenhöhe schräg nach oben gestreckt werde. Seine Mandantin habe ihren Arm jedoch weitaus höher gehoben und zudem keine politische Aussagekraft damit verbunden. Es komme auf den Kontext an, betont Stahl. Sie habe zu den Rufen „Ost-, Ost-, Ostdeutschland“ rhythmisch den Arm gehoben, wie sie das schon oft getan habe, um das Publikum anzuheizen. Zudem hätte sie auf „Zicke Zacke, Zicke Zacke“ nicht „heil, heil, heil“ gerufen, sondern „hoi, hoi, hoi“.

Dies habe „mit Heil Hitler nichts zu tun“, so der Verteidiger. Vielmehr handele es sich um Mutmaßungen der Staatsanwaltschaft, die für seine Mandantin erhebliche wirtschaftliche Folgen gehabt hätten. So seien alle Auftritte in Deutschland, Österreich und der Schweiz abgesagt worden. Ihr bleibe nur noch Mallorca. Vom „Absturz einer Trash-Ikone“ war damals auf einschlägigen Portalen die Rede.

Amtsrichter Lucas Findeisen spielt schließlich die Videosequenzen des Müller-Auftritts ab. Zu sehen sind Männer mit großen Biergläsern, die „Sieg Heil“ grölen, während die Sängerin auf der Bühne weiter scheinbar ungerührt die Stimmung anheizt. Sie habe bei dem Auftritt In-Ear-Kopfhörer getragen, erklärt der Verteidiger, und Außengeräusche daher kaum wahrgenommen. Mithin sei es nicht bewiesen, dass sie die rechtsradikalen Parolen aus dem Publikum überhaupt gehört hat.

Sprachnachrichten nach dem Auftritt scheinen das zu bestätigen. „Ich habe das echt nicht geschnallt“, offenbarte sie in einem Chat, „ich denke, da wird noch einiges auf mich zukommen.“ Ihr Anwalt sagt, dass sie auf Unterlassung gedrängt habe, als sie die Ohrhörer herausgenommen und die rechtsextremen Sprüche mitbekommen habe. Schließlich habe sie das Konzert abgebrochen. Auch davon existiere ein Video, es liege aber nicht vor.

„Frau Müller ist sicher nicht Mitglied der NSDAP“

Stahl betont, dass die zweifache Mutter keine rechtsextreme Gesinnung habe und unpolitisch sei. Melanie Müller habe auch homosexuelle und ausländische Freunde. Doch darum geht es aus Sicht der Anklagebehörde überhaupt nicht. „Ich unterstelle ihr nicht, rechtsextremistisch zu sein“, so Staatsanwalt Schmelzer. „Frau Müller ist sicher nicht Mitglied der NSDAP. Aber gerade bei dieser Klientel in dieser Situation war es nicht nur normale Partystimmung und Herumgehampel, sondern tatsächlich der Hitlergruß.“

Hinsichtlich der von Müller ebenfalls bestrittenen Vorwürfe wegen Drogenbesitzes, signalisiert Schmelzer hingegen ein Einlenken. In der Leipziger Wohnung der Sängerin waren bei einer Durchsuchung 0,69 Gramm Kokaingemisch und eine Ecstasy-Tablette gefunden worden. Zumindest teilweise könnte das Verfahren eingestellt werden, so die Staatsanwaltschaft nach einem Rechtsgespräch.

Am 13. August wird der Prozess fortgesetzt und wahrscheinlich auch mit einem Urteil zu Ende gehen. Geladen ist nur eine Zeugin – eine Freundin der Angeklagten, die bei dem Oktoberfest-Auftritt anwesend war. Melanie Müller muss dem Gericht zufolge bei diesem Termin nicht persönlich erscheinen. Am Dienstagmittag verlässt sie das Justizgebäude ganz unauffällig durch einen Hinterausgang.

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Nico Zeißler mopo

Prozess gegen Melanie Müller: „Das hat mit ‚Heil Hitler‘ nichts zu tun!“

Gelangweilt, müde, teilweise regungslos sitzt Melanie Müller (36) im pinkfarbenen Blazer mit goldenen Nieten und High Heels am Dienstagmorgen im Saal 100 des Leipziger Amtsgerichts. Es scheint, als sei sie sicher, um eine Verurteilung wegen des Hitlergruß-Vorwurfs und des Drogenfundes zu kommen. Und hofft, dass das Gericht ihre präsentierten Beweismittel auch als solche ansieht. Doch es gibt auch Widersprüche.

„Es ist nicht klar, ob ich ordentlich verheiratet bin“ – neben anderen persönlichen Angaben die einzigen Worte, die von der am Montagabend aus Mallorca angereisten wortkargen Dschungelkönigin von 2014 kommen, nachdem sie zwei zuvor angesetzte Prozesstermine wegen Reiseunfähigkeit aussetzte.

Den Rest erledigt ihr Anwalt Adrian Stahl, der immer wieder betont, dass die Bewegungen mit dem ausgestreckten rechten Arm nach oben Auslegungssache und kein Beweis sei: „Wir haben viele Videos, wo dieselben Armbewegungen gemacht werden und das nicht angeklagt ist.“

Mindestens dreimal soll sie auf einer Oktoberfest-Veranstaltung in der Nacht zum 18. September 2022 des Leipziger Motorradclubs „Rowdys Eastside“ den besagten deutschen Gruß gezeigt und aus dem Publikum die „Sieg Heil“-Rufe wahrgenommen haben.

Zuvor bat sie laut Staatsanwalt Thomas Schmelzer das Publikum, keine Foto- oder Videoaufnahmen anzufertigen und soll gesagt haben: „Wenn hier was veröffentlicht wird, verliere ich meinen Job.“

Genau das sei zu einem Großteil auch eingetreten. Müller habe seit Bekanntwerden der Vorwürfe im September 2022 keinerlei Auftritte im deutschsprachigen Raum mehr gehabt, hält sich vornehmlich mit Buchungen im Ballermann-Club „Oberbayern“ auf Mallorca über Wasser.

Melanie Müllers Verteidiger erklärt die Armbewegungen zu „Ost, Ost, Ostdeutschland“

Auch habe sie, entgegen der Anklage, nicht „Zicke zacke, zicke Zacke, heil heil heil“, sondern am Ende „hoi hoi hoi“ gerufen, sagt ihr Anwalt.

In dem vor fast zwei Jahren frontal aufgenommenen Video, in der sie die Parole „Ost, Ost, Ostdeutschland“ anstimmt, seien ihre Armbewegungen im synchronen Rhythmus zu den gesungenen Worten zu sehen. Stahl: „Das hat mit ‚Heil Hitler‘ nichts zu tun!“

Zudem habe seine Mandantin den Arm auch nicht – wie beim Hitlergruß typisch – auf Augenhöhe, sondern deutlich weiter oben, was gegen die Anschuldigungen spräche.

Mehrere Sequenzen von besagtem Abend werden eingespielt. Die 36-Jährige starrt dabei aus dem Fenster, möchte sie sich nicht anschauen. Sie weiß, dass später auch Videos gezeigt werden, die sie bei anderen Auftritten mit ähnlichen – wie sie sagt anheizenden – ruckartigen Armbewegungen zeigen. Der Richter soll glaubhaft bewiesen bekommen, dass Müllers Vorgehensweise an dem Abend nicht außergewöhnlich war, und erst recht keinen rechtsradikalen Hintergedanken hat.

Beweis genug fürs Gericht, dass sie sich auch im September 2022 nicht strafrechtlich relevant verhalten hat?

Melanie Müller: „Ich war einfach total durch und angesoffen!“

Immer wieder gibt der Verteidiger zu Protokoll, dass die zweifache Mutter „keine rechte Gesinnung“ in sich trage, zudem viele homosexuelle und nichtdeutsche Freunde besitze. Man sei sich freilich sicher, dass Frau Müller „nicht Mitglied der NSDAP“ ist, sagt Staatsanwalt Schmelzer. Derartige Armbewegung müssten dennoch verfolgt werden.

Als möglichen Beweis für ihre Unschuld werden am Dienstag auch Sprachnachrichten abgespielt. Einer unbekannten Person sagte sie nach dem Auftritt – ihrem dritten des Tages: „Ich war einfach total durch und angesoffen.“

Die rechtsradikalen Parolen habe sie „erst gar nicht so geschnallt. Als ob ich sowas mit Absicht mache.“ Sie vermutete schon da, dass „noch einiges auf mich zukommen“ werde.

Dass der Auftritt später von ihrer Seite abgebrochen wurde, kann nicht bewiesen werden, beteuert ihr Verteidiger aber.

Der Besitz von 0,69 Kokaingemisch und einer Ecstasypille, der im selben Prozess mitverhandelt wird, könnte möglicherweise keine Konsequenzen für die Entertainerin haben. Die Staatsanwaltschaft stellte in Aussicht, das Verfahren hierzu trotz widersprüchlichen Aussagen zur Schuldhaftigkeit in einem TAG24-Interview einzustellen.

Am 13. August wird die Verhandlung fortgesetzt – unter Einbeziehung einer befreundeten Zeugin der Partysängerin.