„Auf der richtigen Seite der Geschichte stehen“ – Statement zur Entwicklung antizionistischer Proteste
Liebe Freund*innen und Unterstützer*innen,
wir berichten hier über zwei Vorfälle, die sich kürzlich bei uns zugetragen haben. Wir möchten euch an dieser Stelle über diese informieren, um damit auf eine besorgniserregende Entwicklung der politischen Kultur aufmerksam zu machen, die sich in der linksradikalen Szene in Leipzig seit dem 7. Oktober 2023 ausgebreitet hat und für uns und andere israelsolidarische Gruppen, Projekte und Einzelpersonen gefährlich ist.
Vor einigen Wochen bekamen alle Bewohner*innen der B12 je einen frankierten Brief, der mit Klarnamen adressiert war. In den Umschlägen befanden sich Flyer, die uns aufforderten, die ‚richtige Seite‘ zu wählen, gefolgt von der üblichen terrorverharmlosenden Hamas-Propaganda. Als Absender war jeweils ein anderer angegeben: „Human Right, Free Palestine Road 67, 01948 Freiheit“ zum Beispiel oder „Handala Kuffiyah, Nakba Str. 15/5, 01948 Rememberingen“. So weit, so albern und eigentlich nicht der Rede wert. Schließlich werden wir als israelsolidarisches Hausprojekt seit Monaten immer wieder von selbsternannten pro-palästinensischen Aktivist*innen belästigt und angegriffen: mit wirren Zuschriften, mit Stickern, Parolen oder Eierwürfen an die Hausfassade.
Wir glauben trotzdem, dass hier eine neue Qualität erreicht wurde. Im Unterschied zu den bisherigen Vorkommnissen zeigt sich, dass diese sogenannten Aktivist*innen sich nun offensichtlich nicht mehr zu schade sind, Privatpersonen, die im Haus wohnen, persönlich zu adressieren. Die Briefe stellen damit keine inhaltliche Botschaft an uns als politisches Projekt, sondern persönliche Drohungen und einen Einschüchterungsversuch dar. Die Absender*innen stellen sich auf die Seite des Terrors, den sie als Widerstandskampf verschleiern und leiten daraus die Legitimation ab, die Privatsphäre derer selbstverständlich verletzen zu dürfen, die nicht ihre antisemitischen Ansichten teilen.
Dazu kommt, dass unser Riseup-Mailacount kürzlich von den Betreiber*innen gelöscht wurde. Auf Anfrage wurden uns keine eindeutigen Gründe mitgeteilt, die Kommunikation ihrerseits abgebrochen. Da sich uns sonst keine Gründe für einen solchen Umgang erschließen, gehen wir davon aus, dass wir aufgrund unserer israelsolidarischen Haltung bei den Betreiber*innen gemeldet wurden. Das hieße, dass Riseup uns aufgrund unserer politischen Position eine Kontaktschuld für die Aktivitäten des israelischen Staates zuschreibt. Dieser Logik folgend muss boykottiert und von Ressourcen abgeschnitten werden, wer als Israelunterstützer*in gilt. Wir informieren auch darüber, um andere Gruppen zu warnen: Einstmals sicher geglaubte Infrastrukturen für unsere Arbeit sind es nicht mehr, zumindest für israelsolidarische Linke.
Diese Ereignisse zeigen exemplarisch die politische Kultur, die sich in den letzten Jahren in dieser Stadt – und darüber hinaus – entwickelt hat. Dogmatische Nachwuchs-K-Gruppen und antisemitische Terrorverharmloser*innen können ihre menschenverachtenden Positionen ungehindert verbreiten, egal ob an der Uni, in der Kneipe oder beim Cornern im Park, indem sie eine Atmosphäre der Angst schaffen und sich als moralisch überlegen inszenieren. Doch aus einer moralisierenden Haltung erwächst nicht automatisch eine politische Analyse und Kritik herrschender Verhältnisse. Wie wir gerade beobachten können, fördert sie stattdessen vereinfachte Weltbilder, in denen sich die Feinde klar bestimmen lassen. In diesem Fall sind das Jüdinnen und Juden und die, die sich mit ihnen solidarisch zeigen. Und wo die Feindbestimmung klar ist, da lässt sich umso leichter politische Einheit imaginieren und Kritik von innen und außen abwehren – ein Bedürfnis, wie es deutscher nicht sein könnte. Dann wird es auch legitim, Einzelpersonen zu bedrohen oder den Zugang zu Ressourcen für feindliche Projekte und Gruppen zu blockieren.
Wir dürfen dieser Entwicklung nicht weiter tatenlos zusehen! Als Teil einer israelsolidarischen, antifaschistischen Szene fordern wir euch dazu auf, dem Treiben antisemitischer Gruppen nicht weiter zuzusehen. Konfrontiert sie in der Kneipe, im Park und auf der Straße und widersprecht ihren Positionen! Sichert eure digitalen und analogen Infrastrukturen und vernetzt euch mit Anbieter*innen, die nicht einfach vor dem moralisierenden Aktivismus der Feinde Israels einknicken!
Danke an alle Freund*innen und Genoss*innen, die uns auch weiterhin unterstützen! Wir bleiben antideutsch!