Dicke Hose, dicke Häuser

Christoph Gröner gehört zu den schillerndsten Bauunternehmern des Landes. Jetzt gerät er unter Druck. Hat er sich verzockt?

Wer viel Geld hat, der kann sich eine Menge leisten, auch Gemälde, auf denen Fäkalien eine zentrale Rolle spielen. Etwa das Werk Der Anbräuner des Malers Neo Rauch, das einen Kunstkritiker zeigt, der mit Exkrementen malt.

Im Jahr 2019 ersteigerte Christoph Gröner, einer der schillerndsten Immobilienunternehmer der Republik, das Werk. Damals gab er an, das Bild im Foyer seines „Vereins für den gesunden Menschenverstand“ aufzuhängen, der „falsche Fakten“ geraderücken solle. Doch der Verein wurde nie gegründet. Und das Bild wurde nun von einem Gerichtsvollzieher bei einer der Gröner-Firmen gepfändet. Dass es so weit kam, sagt viel aus über die Schwierigkeiten, in denen der Unternehmer gerade steckt.

Gröner ist über die Baubranche hinaus bekannt, der 56-Jährige ist gern gesehener Gast in Talkshows. Außerdem sucht er die Nähe zur Politik: Er ist Großspender der CDU, seine Unternehmensgruppe beschäftigt unter anderem Roland Pofalla, den früheren Kanzleramtschef von Angela Merkel. Im Aufsichtsrat der Gröner Group sitzt auch der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger.

Um seinen Reichtum hat Gröner nie ein Geheimnis gemacht, weder um seine Porsche-Sammlung noch um seine Villen in Frankreich. Gern erzählt er davon, wie er vom Bauhelfer zum Millionär wurde. Im Jahr 2018 ließ er sich vom ZEITmagazin und vom WDR für eine Dokumentation begleiten. „Wenn Sie 250 Millionen Euro haben, dann schmeißen Sie das Geld zum Fenster raus, und es kommt zur Tür wieder rein“, sagte er damals. „Sie kaufen Autos, die werden mehr wert. Sie kaufen Häuser, die werden mehr wert.“ Als sei das ein Naturgesetz.

Häuser, die nicht fertig werden, sorgen für Ärger

Damit gelangt man an eine zentrale Erklärung, warum Gröner so lange Erfolg hatte. Jahrelang waren die Zinsen für Baukredite niedrig, Wohnungen und Häuser in Großstädten begehrt. Der Wert von Immobilien stieg jahrelang. Von diesem Boom profitierte Gröner. Seine Gröner Group, heute einer der größten Immobilienentwickler des Landes, beschäftigt nach eigenen Angaben knapp 600 Mitarbeiter. Derzeit plant und baut sie 27 Wohn- und Gewerbeprojekte in 13 deutschen Städten. Doch vielerorts stehen die Kräne still. Ob in Bergisch-Gladbach, Erfurt, Karlsfeld, Karlsruhe oder Wendlingen: Regelmäßig musste der Baukonzern in den vergangenen Monaten mitteilen, dass es nicht weitergeht.

Warum nicht? Erst wenn genügend Wohnungen verkauft seien, könne mit dem Bau begonnen werden, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. „Ohne Verkauf und ohne Vermarktung gibt es keine Bauaktivitäten“, teilt sie mit. Weil es aber offenbar eng wird, hat Gröner zum Wohle seines Unternehmens „mehrere Villen in Südfrankreich und einige Porsche aus meiner Sammlung verkauft“, wie er dem Handelsblatt kürzlich sagte.

Die Frage ist nur, ob das reicht. Hat er sich verzockt?

Da ist zum Beispiel das Projekt Stadtlandhavel im Berliner Stadtteil Spandau. 204 Wohnungen sollten dort entstehen, idyllisch gelegen am Flussufer, in der „revitalisierten Architektur“ einer ehemaligen Pulverfabrik, wie es in den Projektdokumenten heißt. Das hat dann auch seinen Preis: Eine 1,5-Zimmer-Wohnung wurde für knapp 350.000 Euro angeboten, für vier Zimmer wurden bis zu 1,4 Millionen Euro fällig.

Allerdings: Viel tut sich nicht auf der Baustelle. Dabei sollten vier der sechs Gebäudeteile schon in diesem Jahr bezugsfertig sein. Doch seit zwei Jahren ruhen die Arbeiten. Im April 2023 beschloss der Vorstand der CG Elementum – so der Name einer Tochterfirma der Gröner Group –, den Bau zweier Gebäudeteile „komplett zurückzustellen“, wie es in internen E-Mails heißt. Lediglich vier Eigentumswohnungen hätten verkauft werden können, dadurch fehle das Geld zum Weiterbau. Nur ein Komplettverkauf der beiden Gebäudeteile könne das Vorhaben noch retten, so die damalige Einschätzung des Vorstands.

Hinhalten, verzögern, aussitzen

Einer derjenigen, die gern längst eingezogen wären, ist Thomas Müller. Er hatte sein Haus in Nordrhein-Westfalen verkauft, um sich eine 2-Zimmer-Wohnung an der Havel zu kaufen. Doch den Kaufpreis von knapp 570.000 Euro musste Müller nie zahlen. Die zur Fälligkeit nötigen Eintragungen in das Grundbuch würden sich verzögern, vertröstete die CG Elementum Müller immer wieder. Zuletzt wurde ihm im Februar 2023 aber per E-Mail versichert: „Wir halten weiter an dem vereinbarten Fertigstellungsdatum fest.“

Für Müller war das ein Problem: Nach dem Verkauf seines Hauses hat er in Deutschland keine Wohnung mehr, derzeit hält er sich in Südafrika auf. Eigentlich wollte er in Berlin eine neue Lebensphase beginnen. Stattdessen blieb er auf den Notarkosten und jeder Menge Ärger sitzen. Nach fast einem Jahr einigten sich der Gröner-Konzern und Müller auf eine Aufhebungsvereinbarung zum Kaufvertrag. Anstelle der neuen Wohnung sollte er laut der ZEIT vorliegenden Unterlagen einen Schadensersatz von etwa zehn Prozent des ursprünglichen Kaufpreises erhalten.

Müller erlebte bei den langen Verhandlungen eine Taktik des Gröner-Konzerns, die auch andere Beteiligte beschreiben: hinhalten, verzögern, aussitzen. „Immer wieder hieß es, dass gerade die Person nicht erreichbar sei, die die Unterschrift zu leisten habe“, sagt Müller. In einem nächsten Schreiben wurde er informiert, dass er höchstens mit einer Ratenzahlung des Schadensersatzes zu rechnen brauche: „Eine frühere Zahlung kann im Moment nicht eingeräumt werden, weil aus aktuellen Liquiditätsgründen nicht darstellbar“, schrieb ihm der für Stadtlandhavel zuständige Geschäftsführer in einer E-Mail.

Zuletzt versuchte der Chef offenbar selbst, die Höhe des Schadensersatzes zu drücken. „Herr Gröner“ hätte das Ausgleichsangebot auf dem Tisch und würde die ausgehandelte Summe für zu hoch halten, teilte der Geschäftsführer mit. Bislang hat Müller trotz Fälligkeit nur einen kleinen Teil der vereinbarten Summe erhalten. Und das auch erst, als er mit einer Strafanzeige drohte.

Auf ZEIT-Anfrage bestreitet ein Rechtsanwalt der Gröner Group Müllers Darstellung. Man behalte sich lediglich ein Recht auf Rückabwicklung vor. Ob man davon Gebrauch mache, hänge davon ab, wie es mit dem Projekt weitergehe.

Nicht nur die Kundschaft klagt über die Zahlungsmoral des Gröner-Konzerns, sondern auch Unternehmen, die für ihn tätig waren. Da ist zum Beispiel Roland Sommer, Chef des Ingenieurbüros Ibas in Berlin. Er war unter anderem für die Planung des Wärmeschutzes bei Stadtlandhavel verantwortlich, hat aber auch bei anderen Projekten mitgearbeitet. Trotz erbrachter Leistungen habe die Gröner Group mehrere Rechnungen nicht bezahlt, sagt Sommer, „in den letzten Jahren haben wir gar kein Geld mehr bekommen“. Sein Schaden belaufe sich auf eine vierstellige Summe. Sommer sagt, er habe inzwischen einen Anwalt eingeschaltet. „Solche Sauereien sind unmöglich zwischen Geschäftspartnern“, sagt er.

Auf Anfrage der ZEIT bestreitet der Rechtsanwalt des Gröner-Konzerns auch diese Darstellung. „Sämtliche offenen und fälligen Forderungen der Planer unserer Mandantin wurden vollständig bezahlt“, schreibt er.

Ein großer Immobilienvertrieb streitet ebenfalls in Sachen Stadtlandhavel mit Gröner. Nach eigenen Angaben hat das Maklerunternehmen fast zwei Dutzend Käufer für die Eigentumswohnungen an der Havel vermittelt, nun warte man seit Monaten auf die vereinbarte Provision. Knapp 500.000 Euro will die Firma jetzt gerichtlich vom Gröner-Konzern eintreiben. Der allerdings hält dagegen: Man habe den Vertrieb überhaupt nicht beauftragt, ließ die Gröner Group über ihren Rechtsanwalt mitteilen. Es gäbe keine Verbindung zu dem Unternehmen.

Für Gröner mehren sich die Schwierigkeiten

Für den Selfmademillionär wird all das nun zum Problem. In der Baubranche wird er zunehmend gemieden. Als am Rande einer Immobilienmesse kürzlich Branchenvertreter zum Essen beisammensaßen, habe jeder am Tisch von schlechten Erfahrungen mit dem Immobilienunternehmer erzählt, berichtet ein Teilnehmer. Und einer sagt: „Nach zwei Minuten schimpften alle über Gröner.“

Die Baubranche befindet sich in einer Krise. Seit dem Sommer 2022 sind die Bauzinsen deutlich gestiegen, die Immobilienpreise aber erstmals seit Jahren gefallen. Carola Rinker ist Bilanzexpertin und hat unter anderem Bundestagsabgeordnete im Untersuchungsausschuss zur Pleitefirma Wirecard beraten. Sie hat gemeinsam mit der ZEIT den Jahresabschluss für das Jahr 2022 unter die Lupe genommen, den die Gröner Group im April veröffentlicht hat. Dort zeigt sich, wie sehr das Unternehmen in den vergangenen Jahren auf Pump gewachsen ist.

Der Gerichtsvollzieher kassiert ein Gemälde von Neo Rauch ein

Fast eine halbe Milliarde Euro an Verbindlichkeiten lasteten Ende 2022 demnach auf dem Unternehmen. Und dieser Posten hat Sprengkraft, denn 450 Millionen Euro davon waren innerhalb eines Jahres fällig. Das Unternehmen musste die Kredite also entweder ablösen – oder umschulden. Und das, während auf dem Immobilienmarkt die Preise fielen. Rinker sagt: „Alles andere als eine komfortable Situation.“

Für Christoph Gröner mehren sich die Schwierigkeiten. Kürzlich stellte das Finanzamt Berlin sogar einen Insolvenzantrag gegen eine seiner Firmen, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei. Lohnsteuern in Höhe von mehr als 360.000 Euro seien nicht bezahlt worden. Mitte Mai eröffnete das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg das Insolvenzverfahren. Erst als Gröner elf Tage später alles bezahlt hatte, zog das Berliner Finanzamt den Antrag zurück.

Der Gröner-Anwalt hingegen beschuldigt das Berliner Finanzamt, von der üblichen Praxis der Verrechnung von Steuerschulden mit Steuerguthaben abgewichen zu sein. „Es droht ganz klar keine Insolvenz“, teilt er mit. Wie alle Unternehmen des Immobilien-Sektors habe die Gröner Group marktbedingt mit Herausforderungen zu kämpfen. Man sei aber überzeugt, sie bewältigen zu können. Die Kasse sei mit Eigenkapitalreserven in Höhe von derzeit 250 Millionen Euro ausreichend gefüllt.

Ob Gröner das Gemälde des Malers Neo Rauch wiedersieht, ist unklar. Ein Haustechnik-Unternehmen aus Schleswig-Holstein machte gegenüber seinem Unternehmen vor Gericht Sicherheiten für künftige Forderungen in Höhe von 600.000 Euro geltend – und erhielt einen Pfändungstitel.

Ein Gerichtsvollzieher hat das Gemälde wenig später in den Geschäftsräumen der Gröner-Firma einkassiert. Es sei von Gröner persönlich als „Pfändungsgut“ der beklagten Firma zur Verfügung gestellt worden, sagt der Anwalt der Gruppe dazu. Man sei sich aber sicher, dass das Urteil dazu aufgehoben werde. Das Bild mit den Exkrementen käme dann zurück zu Gröner.